Zukunft Photovoltaik-Fassaden

Sei es in Zürich, Basel oder Romanshorn – immer öfter sorgen Häuser mit ästhetisch ansprechenden Solarfassaden für Schlagzeilen. 

Das Energiepotenzial der eigenen Hausfassade ermitteln

Auf der  Webseite sonnenfassade.ch kann man mit wenigen Klicks das Energiepotenzial seiner Hausfassade einschätzen lassen. Rund 50 Prozent aller Schweizer Gebäude sind bereits erfasst, bis Mitte 2019 sollten sämtliche Adressen online abrufbar sein.

 

Das Online-Tool ist ein Gemeinschaftsprojekt der Bundesämter für Energie, Landestopografie und Meteorologie/ Klimatologie. Es steht exemplarisch für die Bemühungen des Bundes, den Klimaschutz mithilfe von erneuerbaren Energien zu fördern.

Leitfaden PV-Fassaden der Graphis Wohngenossenschaft

Die aktuell schweizweit grösste Photovoltaik-Fassade im Wohnungsbau verkleidet die neue Wohnüberbauung Heu- winkel in Allschwil. Ursprünglich hatte der Architekt Jakob Steib für die Ersatzneubauten der Baugenossenschaft Graphis eine Naturschieferfassade vorgesehen. Heute sind die drei Baukörper in eine dezente, dunkelblau-graue Solarfassade gehüllt. 

 

Zusammen mit dem Dach (79 300 kwh) produziert die Anlage 213'000 Kilowattstunden Strom, das entspricht 80 bis 90 Prozent der von der Siedlung benötigten Menge. Der Ertrag auf der Nordseite liegt verglichen mit der Süd- und Westseite bei etwa fünfzig Prozent. «Klar ist das weniger, aber es ist nicht nichts», sagt der stellvertretende Geschäftsführer bei Graphis, Michael Tschofen, der die PV-Fassade initiiert hat. (Vgl. auch Magazin 4/22) 

Zukunftsmusik – erste Töne hört man längst

Solarfassaden zählen zu den wichtigen Hoffnungsträgern zur Umsetzung der Energiewende. Bisher blieb das Energiepotenzial der Schweizer Hauswände weitgehend ungenutzt. Doch immer häufiger machen spannende Pilotprojekte von sich reden: Das Hochhaus «Sihlweidstrasse 1» in Zürich erhielt bei der Sanierung 2011 die (damals) grösste umlaufende PV-Dünnschichtfassade der Welt. 2013 gewann das Zürcher Architekturbüro Viridén+Partner für den Umbau eines Mehrfamilienhauses in Romanshorn mit Baujahr 1962 den Europäischen Solarpreis. Und das Mehrzweckgebäude «Kohlesilo» in Basel, das mit mehrfarbig verglasten Solarzellen ausge- stattet ist, bekam 2015 den Schweizer Solarpreis. Aktuell sorgt ein Gebäude in Zürich-Wollishofen für Aufsehen. Das attraktive Wohnhaus namens «Solaris» wurde diesen Sommer fertiggestellt. Die Fassade und das Dach liefern doppelt so viel Strom, als die Bewohner verbrauchen.

Schweizer Forschung an vorderster Front

Auch zahlreiche Schweizer Forschungsinstitute und Her- steller engagieren sich dafür, dass Solarpanele die Fas- sadenflächen erobern. Ein Schwerpunkt der Forschung liegt auf der ästhetischen Weiterentwicklung der Photovoltaik. Die Rechnung ist einfach: Je attraktiver die Module aussehen, desto häufiger werden Architekten und Bauherrschaften auf Solarenergie setzen.

Neue Optik für Solarpanele

Dem CSEM PV Technology Center aus Neuenburg ist es beispielsweise 2014 als erster Institution weltweit gelungen, weisse Solarpanels herzustellen. Das CSEM entwickelt jedoch auch farbi- ge Solarmodule, ebenso wie die Hochschule Luzern oder das PV-Lab an der ETH Lausanne. Mittlerweile sind die bunt gestalteten Solarzellen oft gar nicht mehr als solche erkennbar. Einen Nachteil haben sie allerdings: Sie erzeugen weniger Strom als herkömmliche Solarmodule. Derzeit liegt der Leistungsverlust je nach Produkt – bedruckt, texturiert oder mit Folie versehen – zwischen 5 und 40 Prozent.

Rentabilität von Solarfassaden steigt

Wirtschaftlich können Solarfassaden im Vergleich zu herkömmlichen Fassaden immer besser mithalten. Hartmut Nussbaumer, Dozent und Forschungsgruppenleiter an der ZHAW im Bereich Photovoltaik-Module, sagt dazu: «Die Investitionskosten für eine vorgehängte Solarfassade sind sicherlich höher als für eine vorgehängte Glasfassade. Doch sie liefert Strom und hat so einen Return on Investment. Der Mehrpreis lässt sich also amortisieren. Insofern sind diese Fassaden heute schon wirtschaftlich.»

Ein Rechenbeispiel

Auf der Webseite der ISSOL SA, einem europaweit tätigen Anbieter von Solarfassaden, findet sich ein Rechenbeispiel dazu: Der Preis für einen Quadratmeter Glasfassade liegt bei rund 200 Euro, der Preis für einen Quadratmeter Solarfassade bei 350. Pro Jahr liefert die Solarfassade Energie im Wert von 20 Euro pro Quadratmeter. Damit ist der Mehrpreis nach 7,5 Jahren amortisiert. Rechnet man mit einer Lebensdauer von 20 Jahren, wirft die Fassade sogar einen Gewinn von 50 Euro pro Quadratmeter ab.

Fassadenerträge teils sogar höher als Dacherträge

Im Winter wird aus dem Minus ein Plus

Auf den ersten Blick sind Solaranlagen auf dem Dach jenen an Fassaden vorzuziehen, denn vertikal montierte Anlagen liefern im Schnitt deutlich weniger Energie. Laut Joëlle Fahrni, Solarspezialistin beim Bundesamt für Energie, beträgt der Verlust etwa 40 Prozent. In den Wintermonaten sind die Erträge von stark geneigten oder senkrechten Flächen aufgrund des tieferen Sonnenstands jedoch ähnlich hoch oder gar höher als bei Dachanlagen. Das macht Solarfassaden wirtschaftlich trotzdem interessant, zumal auch unser Stromverbrauch in der kalten Jahreszeit höher ist. Fazit: Ob schwarze, weisse oder bunte Module – alle Signale für mehr Solarzellen an den Wänden stehen auf grün.

Tipp

Hier kann man mit wenigen Klicks das Energiepotenzial seiner Hausfassade einschätzen lassen.