Genug reicht nicht

Porträt Albert Rösti gemütlich auf einem Sofa
Energieminister Rösti macht es sich gemütlich. Foto: Anoush Abrar

Es war eine wahre Monsterveranstaltung, der Klimagipfel Cop28 in Dubai. Um die 100 000 Politikerinnen, Diplomaten, Wirtschaftsleute, Investorinnen, Aktivisten, Wissenschafterinnen und Medienleute aus der ganzen Welt haben sich im organisierenden autoritären Ölstaat versammelt, um darüber zu beraten, wie aus der Klimakrise herausgefunden werden kann. Der Gipfelpräsident steht der staatlichen Abu Dhabi Ölgesellschaft vor, die plant, rund 150 Milliarden US-Dollar in den Ausbau ihres Öl- und Gasgeschäfts zu investieren. Und dennoch...

Die rund 200 Vertragsstaaten haben sich dennoch auf das Eingeständnis einigen können, dass fossile Energieträger die Hauptursache für die Klimakrise sind – wenn auch mit Ach und Krach. Obwohl das mittlerweile jedes Kind weiss, ist es bemerkenswert, dass im Abschlussdokument von einem schrittweisen Ausstieg die Rede ist. Denn im Vorfeld hatten Saudi Arabien und die anderen Opec-Staaten mächtig dagegen geweibelt. Im Schlusstext werden die Staaten aufgefordert zu einer Abkehr "von fossilen Energiesystemen" beizutragen, "in einer gerechten, geordneten und angemessenen Art und Weise, indem sie in diesem kritischen Jahrzehnt ihre Anstrengungen beschleunigen, so dass Netto Null bis 2050 erreicht werden kann, so wie die Wissenschaft das fordert".

Noch vor zwei Jahren wäre eine solche Formulierung undenkbar gewesen. Dennoch – diese Vereinbarung geht längst nicht weit genug. Dieses Jahr hat alle Hitzerekorde gebrochen. Der CO2-Ausstoss steigt weiter. Zwar sind die Investitionen in erneuerbare Energien ebenfalls enorm gestiegen, doch der Grossteil dieser Investitionen hat wohl zu höherer Stromproduktion gesorgt, aber kaum fossile Anlagen ersetzt. Die Petrostaaten planen weiterhin milliardenschwere Ausbauten der fossilen Produktion. Und zu alledem entschwindet das 1,5-Grad-Ziel in unerreichbare Ferne.

Noch während in Dubai um die allgemein akzeptablen Formulierungen gerungen wurde, publizierte das Forschungsinstitut NewClimate Institute seinen jährlichen Klimaschutz-Index. Daraus geht hervor, dass von den 63 Ländern plus EU kein einziges Land genügend Anstrengungen unternimmt, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Bezeichnend ist, dass die Medaillenränge leer bleiben. Auf Rang 4 nimmt Dänemark den Spitzenplatz ein, dann muss man lange suchen – vorbei an Estland, Marokko, Nigeria oder Lettland, bis man auf Platz 21 die Schweiz findet. Der WWF teilte mit, das liege primär am geringen Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix und an der nationalen Klimapolitik.

Die Schweiz liegt nicht nur blamabel weit hinten, sie ist auch nicht mehr Teil der sogenannten "High Ambition Coalition", der sie seit 2015 angehörte, der Gruppe jener Länder, die sich besonders für den Klimaschutz engagieren. Für Jonas Kampus vom Klimastreik kommt dieser Austritt "einem klimapolitischen Hochverrat" gleich. Energieminster Albert Rösti erklärte am Klimagipfel den Schweizer Austritt damit, dass sich der Fokus der internationalen Klimapolitik geändert habe. Jetzt gehe es hauptsächlich um die Klimaschutz-Finanzierung und da besitze die Schweiz "einen grossen Leistungsausweis".

Auch die Wirtschaft ist nicht begeistert von diesem Schritt. Christian Zeyer, Co-Geschäftsführer des Verbands Swisscleantech tadelt: "Er setzt ein falsches Signal." Doch sei der Schritt fast schon in der Tradition der Schweizer Klimapolitik, die nicht richtig vom Fleck komme. Das sieht der Schweizer Energieminister etwas anders. Er vertritt den Standpunkt, die Schweiz tue schon genug für den Klimaschutz, jetzt sollen gefälligst die Anderen ran. Das dieses vermeintlich genug bei weitem nicht reicht, ficht den Energie- und Umweltminister nicht an.

Bei den Beratungen zum CO2-Gesetz im Parlament hat der SVP-Vertreter Gelegenheit, neue Volten zu üben. Um das Ziel "Halbierung der nationalen Treibhausgas-Emissionen bis 2030" zu erreichen, dürfte unter anderem auch der Benzinpreis erhöht werden. Als Bundesrat muss Rösti sich für dieses Gesetz starkmachen, während seine Partei es vehement bekämpft. Aber das sich Verbiegen ist sich der Energieminister ja gewohnt.

Überraschende Volten sind nach vorwärts und rückwärts möglich. So bleibt die Hoffnung, auch wenn sie der grosse Imre Kertesz als die fügsame Dienstmagd der Selbsterhaltung bezeichnet, erhalten. Immerhin geht es bei diesem Thema um die Selbsterhaltung, die doch eigentlich der stärkste Antrieb zum Handeln sein soll.

Wir alle von Solarspar wünschen Ihnen und Ihren Lieben zum Jahresende gute Begegnungen, zuversichtliche Gespräche und Raum für überraschende Volten.

 

Christa Dettwiler