Das wird teuer

Ende dieses Monats trifft sich die Welt in Dubai zur «wichtigsten Klimakonferenz seit Paris 2015». Wichtig deshalb, weil der Klimawandel aus dem Ruder zu laufen droht – in Teilen der Welt bereits gelaufen ist. Die Vorzeichen stimmen nicht optimistisch. Da ist der fragwürdige Vorsitz, da ist aber auch die magersüchtige Bilanz der «globalen Bestandsaufnahme», die zum ersten Mal stattfindet. Da ist, ganz einfach, die harsche Wirklichkeit, die auf allgemeines Wunschdenken trifft.

 

Es ist, als hielten sich die vereinigten Staaten der Welt seit 20 Jahren die Augen zu, denn: Was man nicht sieht, gibt es nicht. Das hat ganz offensichtlich nicht funktioniert. Es gibt sie, die Klimakrise, und sie ist auch mit geschlossenen Augen wahrnehmbar. Sie hat auch ganz reale Ursachen. Das hat die Welt spätestens am ersten Klimagipfel in Paris vor mittlerweile acht Jahren zähneknirschend eingesehen und sich zum Ziel gesetzt, den CO2-Ausstoss möglichst schnell und möglichst drastisch zu senken. Die Länder haben sich CO2-Budgets vorgegeben, die sie – so der erklärte Wille – in absehbarer Zeit auf Netto Null bringt. Der CO2-Absenkungspfad soll verhindern, dass sich der Planet um mehr als 1,5 Grad aufheizt.

Der jüngste Weltklimarats-Bericht hatte das verbliebene CO2-Budget auf 500 Gigatonnen ab Anfang 2020 bis 2030 beziffert. Kürzlich haben Forscherinnen des Imperial College London genauer hingesehen und festgestellt, dass ab 2023 nur gerade noch die Hälfte dieses Budgets übrig bleibt, will man auch nur eine 50-prozentige Chance haben, das Klimaziel zu erreichen. Bei einem Jahresausstoss von 40 Milliarden Tonnen, kann sich jede selbst ausrechnen, wie schnell der Rest aufgebraucht ist.

Es wird mithin einige Verrenkungen brauchen, wenn die Staaten in Dubai am 1,5-Grad-Ziel weiter festhalten wollen. Denn realistisch ist dieses Ziel nicht mehr. Die CO2-Kurve steigt nämlich weiter an. Eine echte Kehrtwende ist nirgends in Sicht. Dennoch haben die Länder Ideen eingereicht, wie sie das Wunder innerhalb der nächsten zehn Jahre doch noch schaffen wollen:

  • Der Höhepunkt der weltweiten Treibhausgasemissionen soll 2025 erreicht sein. Bis 2030 sollen sich die Emissionen halbieren, bis Mitte des Jahrhunderts Nenno Null erreicht sein.
  • Ebenfalls bis 2030 soll sich der Anteil erneuerbarer Energien verdreifachen, die Energieeffizienz verdoppeln. Für die Schweiz, die bei der Solarenergie europäisch arg hinterher hinkt, wäre das ein beispielloser Kraftakt.
  • Dann soll auch der «schrittweise Ausstieg» aus fossilen Brennstoffen, inklusive Kohleverbrennung, bis 2040 vollzogen sein, das Ende von «ineffizienten» Subventionen für Öl, Gas und Kohle bereits 2025. Über 2030 hinaus sollten zudem keine neuen Förderprojekte mehr geplant werden. Diesen letzteren Zielen gegenüber stehen die weltweit führenden Öl- und Gaskonzerne, die grosse Geschäfte planen: In den nächsten sieben Jahren sollen 192 Milliarden Barrel neu gefördert werden.

Die Liste der Absichtserklärungen geht noch weiter, umfasst auch ein Verbot von Verbrennerautos und eine Vollbremsung bei der Entwaldung. Auf wie viele dieser Punkte sich die Staatengemeinschaft wird einigen können, bleibt abzuwarten. Das Abschlussdokument, so es denn überhaupt eines gibt, wird von "soll" und "sollten" nur so wimmeln. Verbindliches ist nicht zu erwarten.

Eine mögliche Handlungsmotivation könnten vielleicht die neusten Zahlen der grossen Versicherer liefern. Denn wenn es um Geld geht, sind die Ohren meist weit offen. Sowohl Swiss Re als auch Munich Re haben die weltweite Schadensumme für das vergangene Jahr auf Rund 275 Milliarden US-Dollar beziffert. Und zwar ausschliesslich für Schäden, die auf den Klimawandel zurückzuführen sind: Wirbelstürme, Überschwemmungen, Feuer.

Das sind allerdings nur versicherte Schäden. Denn was der Klimawandel in armen Teilen der Welt anrichtet, macht wohl Schlagzeilen, doch bezahlen dafür wollen die reichen Länder nicht. Berechnungen des Uno-Umweltprogramms zufolge erlitten in den vergangenen zwei Jahren die 55 am stärksten betroffenen Volkswirtschaften Schäden in der Höhe von mehr als 500 Milliarden Dollar. Doch auch das Dossier,   das die Hauptverursacher des Klimawandels dazu verpflichten will, arme Regionen, die am meisten darunter leiden, finanziell zu entschädigen, dümpelt seit Jahren vor sich hin. Auch hier dominieren «soll» und «sollten». Der Gipfel in Dubai unter dem Vorsitz des Vorsitzenden der nationalen Erdölgesellschaft von Abu Dhabi dürfte daran wohl auch nichts ändern.

 

Christa Dettwiler