Bild: Cocoparisienne
Und plötzlich kommt Bewegung in den Schweizer Solarmarkt. Mit einem überraschenden und überzeugenden Konzept mischt das Solarunternehmen Helion den bislang so trägen und wenig attraktiven Markt mit privatem Solarstrom auf. Die aktuelle Sonntags-Zeitung hat die Pläne der Amag-Tochter vorzeitig öffentlich gemacht.
Generell sind die Preise, die Energieversorger für eingespeisten Solarstrom vom Hausdach bezahlen, eher bescheiden. Im Land der extrem dezentralen Energieversorgung mit Hunderten von kleinen und
grossen Elektrizitätswerken gibt es ebenso viele verschiedene Tarife. Laut Karte auf der Webseite des Verbandes unabhängiger Energieerzeuger VESE schwanken die Einspeisetarife zwischen zehn und
20 Rappen pro Kilowattstunde (pvtarif.ch). Die Ausgestaltung der privaten Produktion und des Verkaufs von überschüssigem Strom hat bislang nicht zu einem Run auf die Stromproduktion vom Hausdach
beigetragen.
Das will Helion nun grundsätzlich ändern. Bislang auf die Installation von PV-Anliegen spezialisiert, mutiert das Unternehmen jetzt zum Stromhändler. Es kauft den Stromüberschuss von privaten
Produzierenden auf und verkauft ihn an Grossabnehmer weiter. Mit diesem Modell, so schreibt die Sonntags Zeitung, werde Helion "die Energiebranche durchschütteln".
Helion bietet Solarstromproduzentinnen entweder einen Fixpreis für ihren sauberen Strom an, doch sein zweites Modell ist das eigentlich Neue. Es offeriert einen flexiblen Tarif, der sich am
Marktpreis orientiert, allerdings mit einem Zusatz, der den Markt tatsächlich in Bewegung setzen wird: Der Strom wird dann abgerufen, wenn er am dringendsten benötigt wird und deshalb teuer ist.
Dazu installiert Helion bei seinen Kunden eine App, die mit der PV-Anlage und Verbrauchsgeräten gekoppelt ist und sie steuert. Das soll laut Heynen das Energiesystem stabilisieren, indem es das
Netz entlastet.
Wer privat Strom vom Hausdach erzeugt, verbraucht den Strom vorwiegend dann, wenn ausreichend davon vorhanden und deshalb günstig ist. Ist der Strom knapp und teuer, wird er eingespeist. Mit der
App werden die grossen Energieverbraucher im Haushalt – Warmwasserboiler, Wärmepumpe oder Elektroauto – so programmiert, dass sie den Strom dann abrufen, wenn er am günstigsten ist. Bei hohen
Strompreisen geht er direkt ins Netz. Helion-Chef Heynen: "Mit diesem Modell unterstützen wir die Stabilisierung des Energiesystems und bringen damit die Energiewende in einem wichtigen Punkt
voran."
Mit diesem Konzept – den Strom vieler Kleinproduzentinnen zu bündeln und ihn an Grossverbraucher weiterzuverkaufen– ist auch ein taugliches Mittel für Grosse, ihren CO2-Fussabdruck ganz direkt im
Inland zu verkleinern, mit quasi hausgemachtem sauberen Strom. Der erste Kunde steht bereit, es ist das Mutterhaus Amag. Das Unternehmen geht davon aus, dass bis 2030 rund 70 Prozent seiner
verkauften Fahrzeuge mit Strom fahren. Amag bietet auch Abo-Modelle mit einem Fixpreis fürs Aufladen an. Umso grösser ist das Interesse an günstigem und klimaneutralen Strom.
Die teilweise Strommarktliberalisierung, die Grossverbraucher ihren Anbieter frei wählen lässt, hat dieses Modell erst möglich gemacht. Es ist anzunehmen, dass Helion nicht für lange der
einzige Anbieter bleiben wird. Davon geht auch Heynen aus und freut sich sogar darüber: "Das ist grundsätzlich positiv, denn es bringt die Energiewende voran." Der Verband Schweizerischer
Elektrizitätsunternehmen VSE kommentiert etwas säuerlich: "Das ist der Markt. Das Gesetz stellt es den PV-Stromproduzenten frei, ihren Strom dem eigenen Netzbetreiber oder einem Dritten
anzubieten."
Begeisterter tönt der Kommentar der Dachorganisation der Wirtschaft für erneuerbare Energie und Energieeffizienz, AEE Suisse: "Aus energiewirtschaftlicher Perspektive ist die Einführung eines
Börsentarifs revolutionär." Geschäftsführer Stefan Batzli misst eben diesem Modell grosse Bedeutung bei. Zum ersten Mal erhielten Zehntausende kleine Produzenten die Möglichkeit, auf Marktpreise
zu reagieren. "Damit leisten sie einen aktiven Beitrag an eine grössere Netzstabilität."
Nun ist zu hoffen, dass diese neue Möglichkeit, mit dem selbstproduzierten Sonnenstrom auch tatsächlich Geld zu verdienen, zu einem neuen Boom bei privaten Anlagen führen wird, und dass sich
andere Energieunternehmen vom Helion-Modell inspirieren lassen.