Zwar ist es noch etwas hin bis zum 22. Oktober und den eidgenössischen Wahlen, doch die Startlöcher sind voll besetzt, das Rennen hat für etliche schon längst begonnen (oder gar nie geendet). Wahlen sind etwas Seltsames. Fürs Ego geht's schliesslich um Sein oder Nichtsein. Das anonyme Volk entscheidet darüber, ob man als Person, möglicherweise auch nur als Vertreterin einer bestimmten Weltanschauung, erwünscht ist oder nicht. Auf der anderen Seite ist eben dieses anonyme Volk, das mit dem Ausfüllen des Wahlzettels die politischen Weichen zu stellen wünscht. Brisantes passiert vor Parlamentswahlen in der Regel nichts. Man will ja kein Risiko eingehen. Nur der Blick zurück kann für Wählende wirklich Klarheit schaffen.
Die Umweltallianz, der u.a. Greenpeace, Pro Natura, die Schweizer Energiestiftung und WWF angehören, hat kürzlich ihr traditionelles Umweltrating der für die Parlamentswahlen Kandidierenden publiziert. Wenig überraschend führen Grüne und SP die Liste der Umweltfreundlichen an. Dicht gefolgt von EVP und GLP. Weil diese Parteien vor vier Jahren im Nationalrat zugelegt haben, konnten sie auch mehr Abstimmungen zugunsten der Umwelt gewinnen als in der Legislatur zuvor. Es lohnt sich also durchaus, kräftig für diese Parteimitglieder zu votieren.
Die sogenannte Mitte fällt bereits weit zurück, wenn es um Umweltfreundlichkeit geht. Erreichen die obengenannten Parteien ein Rating zwischen 95 und 99 Prozent, steckt «die Mitte» bei 36, die FDP bei 34 Prozent fest. Bei zwei von drei Vorlagen, die der Umwelt gut getan hätten, sagten beide Parteien Nein. Laut Rating hat die Mitte gegenüber der letzten Legislatur 13 Prozent weniger Herz für die Umwelt gezeigt, die FDP dafür 12 Prozent mehr. Das Schlusslicht hält, wen wundert's, die SVP, die aus Prinzip gegen alles ist, was irgendwie auch nur hellgrün daherkommt. Ihr Rating liegt bei gerade einmal vier Prozent. Möglicherweise hat sie bei einer Abstimmung zugunsten der Umwelt einfach nicht aufgepasst – oder aber es ging um alpine Solaranlagen.
Denn bei diesem Thema schlägt die SVP Wallis auf den ersten Blick einen überraschenden Salto und setzt sich vehement für Solarenergie ein. Allerdings nur dort, wo Grüne und Umweltverbände skeptisch bis ganz dagegen sind: bei den alpinen Grossanlagen. Am kommenden Wochenende entscheidet das Wallis über die Bewilligungsverfahren, das sogenannte Solardekret. Neu soll der Staatsrat entscheiden anstatt wie bisher die kantonale Baukommission. Zudem sollen Einsprachen keine aufschiebende Wirkung mehr haben. Klar, dass das Umweltverbänden, die jahrelang für ein politisches Mitspracherecht gekämpft haben, nicht passt. Zudem pochen sowohl Grüne wie Verbände darauf, bestehende Infrastruktur oder zumindest bereits belastete Gebiete für die Produktion von Solarstrom zu nutzen, bevor unberührte alpine Landschaften zugekleistert werden.
Klar ist auch, dass die SVP dafür sein muss, wenn die Grünen dagegen sind. Der rechten Partei geht es weder um die Produktion von sauberem Strom, den liefern schliesslich auch AKW, schon gar nicht um Klimaschutz, denn die Klimakrise gibt es ja gar nicht, sondern einzig und allein darum, der Umwelt und den Grünen eins auszuwischen. Und natürlich wird ihre Haltung im Wallis dazu dienen, die Klimabewusstheit der Partei zu beweisen.
Genau wegen solcher Volten kurz vor den Wahlen lohnt sich der Blick zurück. Nicht nur die SVP ist ein Hemmschuh für ein ausgewogenes Zusammenleben der Menschen mit ihrer Mitwelt. Auch der Ständerat gibt hier eine schlechte Figur ab. In den letzten vier Jahren scheiterten etliche Umweltanliegen am Ständerat. Auch hier wären Volksvertreterinnen und -vertreter dringend gefragt, die Klimakrise und Umweltanliegen ernst nehmen.
Die Wahlprognosen, obwohl immer mit grösster Vorsicht zu geniessen, lassen nichts Gutes erwarten: Gewinne für die SVP, Verluste für die Grünen. Um sich die besten Chancen zu sichern, lassen sich die Parteien die nächsten Wahlen einiges kosten. Radio Télévision Suisse RTS hat sich bei den kantonalen Parteisektionen umgehört und kommt auf rund 18 Millionen Franken Wahlbudget, die nationalen Parteien werden mit rund 13 Millionen in den Ring steigen. Dank neuer Transparenzregeln ist es einfacher geworden, an aktuelle Zahlen zu kommen. Neu müssen Parteisektionen mit mehr als 50’000 Franken Budget Transparenz schaffen, dafür haben sie bis am 7. September Zeit. Das heisst, die Zahlen werden weiter steigen.
Obwohl die grossen Parteisektionen versuchen, ihre Geheimnisse zu wahren, ist jetzt schon klar, dass so viel Geld aufgeworfen wird wie noch nie. Mittendrin für einmal auch die Grünen. Dank einer Millionenspende der Sika-Erbin Carmita Burkard-Kroeber hat die nationale Partei einen Batzen an die kantonalen Sektionen verteilt. Das Gesamtbudget ist um stattliche 62 Prozent bei der nationalen Partei, und um 47 Prozent bei den kantonalen Sektionen gestiegen.
Am wenigsten auskunftsfreudig ist die SVP. Da sie aber spätestens kommende Woche ebenfalls ihre Grossspender offenlegen muss, wird ihre Geheimniskrämerei nicht mehr lange halten. Bekannt wurde letzte Woche, dass Übervater Christoph Blocher tief in den eigenen Sack greifen und mehr als eine halbe Million springen lassen wird. Dabei betonte er gegenüber der Rundschau, dass er nichts in die Partei selbst investiere, er spende ausschliesslich für einzelne Kampagnen. Im Klartext: Dr. Blocher finanziert nur jene, die seine Überzeugungen im Rat vertreten.
Es lohnt sich also, beim Ausfüllen Sorgfalt walten zu lassen und jene Frauen und Männer auf den Wahlzettel zu setzen, die sich durch eine konstante und konsequente menschen- und umweltfreundliche Haltung auszeichnen. Dina Spörri, Projektleiterin Wahlen der Umweltallianz rät: «Kurz vor den Wahlen geben sich fast alle Parteien umweltfreundlich. Für uns zählen aber Taten nicht Worte.»
Christa Dettwiler