Die Sonne sorgt aktuell für allerlei Schlagzeilen. In der Schweiz wurden beim Ausbau der Sonnenenergie neue Rekordwerte verzeichnet. Solarpanels sind mittlerweile so begehrt, dass sie von Baustellen gestohlen werden. Und Swissolar motiviert Jugendliche zum Solaranlagenbau.
Mitte Juli veröffentlichte das Bundesamt für Energie (BFE) seine Statistik zur Photovoltaik in der Schweiz im Jahr 2022. Gleich um 58 Prozent übertraf der Zubau den des Vorjahres. Im vergangenen Jahr ernteten sämtliche PV-Anlagen im Land 3858 Gigawattstunden sauberen Strom – neuer Spitzenwert. Damit schafften sie es, fast sieben Prozent des nationalen Strombedarfs zu decken. Zum Vergleich: Das AKW Gösgen produziert doppelt so viel. Das ist ernüchternd. Will die Schweiz ihre Klimaziele erreichen, muss die Solarernte in den nächsten zwölf Jahren versiebenfacht werden. Hoffnungsvoll schreibt unser Dachverband Swissolar: «Mit dem zurzeit vom Parlament beratenen Mantelerlass muss es gelingen, die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen.» Der Mantelerlass, das Bundesgesetz für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien, müsste möglichst rasch in Kraft treten.
Dabei folgt die Schweiz einem weltweiten Trend. Rund um die Welt wurden letztes Jahr 239 Gigawatt PV-Leistung installiert. Das sind satte 42 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Insgesamt lieferte die Sonne 1289 Terrawattstunden Strom, etwa so viel wie 160 Gösgen-AKW. Immerhin liegt die Schweiz laut Solar Power Europe gemessen an der pro Kopf installierten PV-Leistung mit 535 Watt weltweit an 9. Stelle. Schaut man allerdings die Zahlen aus China an, nimmt sich der Ausbau doch recht bescheiden aus. Im ersten Quartal 2023 produzierte China 228 Gigawatt aus Sonnenenergie. Bis in zwei Jahren will das Land die Kapazität verdoppeln und 1200 Gigawatt Strom aus Sonne und Wind generieren. Damit könnte das Riesenreich seine Klimaziele für 2030 theoretisch bereits fünf Jahre früher erreichen und bis 2060 CO2-neutral werden.
Nicht alle Solarsparten boomen jedoch. Bei der Solarthermik, der Produktion von Wärme, gingen die Verkaufszahlen in der Schweiz um neun Prozent zurück. Swissolar sähe hier ein grosses Potenzial, vor allem in Kombination mit Wärmeverbünden. Doch dafür müssten bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden. Auch dafür soll der Mantelerlass sorgen.
Swissolar rechnet für das laufende Jahr mit einem PV-Zubau von 1300 bis 1400 MW, das entspräche einer Steigerung von 20 bis 30 Prozent. Dem zügigen Ausbau stehen nicht nur fehlende Rahmenbedingungen im Weg, sondern auch fehlende Fachkräfte. Abhilfe schaffen sollen die neuen Berufslehren «Solarinstallateur:in EFZ» und «Solarmonteur:in EBA», die im August 2024 beginnen.
Das BFE sorgt gleich selbst für künftige Solarstifte. Sein Programm Energie Schweiz unterstützt nämlich die Klimaschule von Myblueplanet, die die Sonnenenergie in die Lehrzimmer bringt. Das Bildungsprogramm ist auf vier Jahre angelegt. Kürzlich haben in der Zürcher Gemeinde Buchs Schülerinnen und Schüler mitgeholfen, ein Solarkraftwerk auf dem Schulhausdach zu installieren. 749 Module wurden verbaut. Gleichzeitig lernen die Jugendlichen an einem Energieworkshop, was Photovoltaik ist und was sie leisten kann. Seit dem Start des Programms wurden 28 Anlagen realisiert, rund 14’000 Jugendliche haben dabei mitgeholfen.
Dass das Solarpotenzial noch bei weitem nicht ausgeschöpft ist, zeigen Zahlen aus dem Kanton Zürich. Nicht einmal drei Prozent der geeigneten Flächen werden für die Produktion von Sonnenstrom genutzt. Trotzdem nimmt Zürich einen Spitzenplatz ein. Ende 2021 waren 12 600 PV-Anlagen im ganzen Kanton am Netz. Nur Bern hat noch mehr. Die produzierten 0,3 TWh Zürcher Sonnenstrom könnten etwa den ganzen Kanton Appenzell Ausserrhoden mit sauberem Strom versorgen. Dennoch ist man noch weit entfernt vom Potenzial, das der Bund für den Kanton Zürich errechnet hat: Es wären rund 10 TWh pro Jahr. Das heisst, aktuell sind nur etwas mehr als drei Prozent ausgeschöpft.
Nun vermeldet Tages-Anzeiger ein neues Hindernis beim Ausbau der Photovoltaik. Es hat weder mit zögerlicher Politik, noch mit fehlendem Mantelerlass, noch mit miesen Rahmenbedingungen zu tun. Thöme Jeiziner, Mediensprecher des Stadtzürcher Energieanbieters ewz klagt: «Auf Bausstellen kam leider auch schon das eine oder andere Solarpanel weg.» Das Problem ist auch in Süddeutschland bekannt: Allein im Bundesland Bayern wurden im letzten Jahr etwa alle vier Tage Solarpanels von Baustellen geklaut. Als Gegenmassnahmen werden Lagerflächen mit Kameras und Sicherheitspersonal überwacht. Wie nötig das ist, zeigt ein Fall aus dem Wallis. Schweiz aktuell berichtete von einer Baustelle in Contey, wo über Nacht Solarpanels im Wert von mehreren Zehntausend Franken gestohlen wurden.
Vielleicht ist das ja ein Anzeichen dafür, dass die Sonnenenergie endlich auch beim gemeinen Volk angekommen ist.
Christa Dettwiler