Nein, eine Zitterpartie soll es nicht werden, dieses Mal. Die Umfragen laufen heiss, sie deuten auf ein Ja zum Klimaschutzgesetz hin, aber – und das ist ein grosses Aber – Überraschungen sind bei Abstimmungen nie auszuschliessen. Die böse Erfahrung mit dem CO2-Gesetz ist da in nur allzu frischer Erinnerung. Deshalb: Mobilisieren Sie! Onkel und Cousinen, Tanten und Eltern, Freude, Bekannte. Wem immer Sie in dieser Woche über den Weg laufen: Ermuntern Sie sie, ein Ja für eine hoffentlich lebenswerte Zukunft in die Urne zu legen.
Mobilisieren wird die Gegenseite ganz bestimmt. In den letzten Tagen vor der Abstimmung zum CO2-Gesetz vor zwei Jahren bewirkten massive Mobilisierungsschübe einen Anstieg der Stimmenden. Vor allem auf dem Land. Und die Landbevölkerung war es auch, die das Gesetz zu Fall brachte. Das will die Referendumspartei wiederholen. So betont SVP-Nationalrat Michael Graber, dass die Partei ihre Basis noch stärker mobilisieren will "und aufzeigen, weshalb diese Subventionen fragwürdig sind".
Ob die SVP-Strategie diesmal auf gleiche Art verfängt, ist zu bezweifeln. Denn sie setzt auf Themen, die vom Klimaschutzgesetz gar nicht betroffen sind. SP-Nationalrat Roger Nordmann klärt auf:
"Die Leute haben verstanden, dass die SVP-Kampagne viel Falsches anspricht: vom Auto und der Landwirtschaft. Dabei sind sie gar nicht betroffen. Eigentlich gibt es im Klimaschutzgesetz nur das
Ziel zur Klimaneutralität, die Unterstützung beim Heizungsersatz und die Innovationsförderung in der Industrie." Und er warnt: "Ein zweites Nein würde die Energie- und Klimapolitik auf Jahre
zurückwerfen."
Die Rechtspartei ist nicht eben bekannt dafür, differenziert zu argumentieren. Sie setzt – und das mit einigem Erfolg – auf plakative, einfach verständliche Slogans, ganz egal ob sie der Wahrheit
entsprechen oder nicht. Ein Argument, das immer zieht, ist Geld. So hat sich die SVP etwa die Zahl 6600 Franken Energiemehrkosten aus einer umfassenden Studie der EPFL Lausanne herausgefischt. So
weit, so gut. Professor und Studienleiter Andreas Züttel wiegelt ab: "Jedermann ist natürlich frei, aus unserer Arbeit das zu betonen, was er will, aber das ist nicht die Lösung, die wir in
Zukunft anstreben."
6600 Franken mehr könnten die Energiekosten tatsächlich pro Jahr und Haushalt steigen bei einem total unrealistischen Szenario, das die Studie ebenfalls durchgerechnet hat: Die Schweiz müsste
sämtliches Öl und Gas durch synthetische Treibstoffe, sogenannte E-Fuels, ersetzen. Doch der Weg, den das Land eingeschlagen hat, ist ein ganz anderer: Erhöhte Elektrifizierung von Verkehr und
Heizung.
ETH-Professor Anthony Patt simuliert ebenfalls verschiedene Szenarien, wie die klimaneutrale Energiewende in der Schweiz gelingen kann. In seinen Szenarien wird sogar Geld gespart. Patt ist
überzeugt: "Wenn wir die Transformation zu einer Netto-Null-Gesellschaft auf schlaue Art vollziehen, werden wir sogar Geld einsparen können."
Ob’s billiger wird oder teurer – eines ist sonnenklar: Die Schweiz, die Welt muss alles daran setzen, keine Treibhausgase mehr auszustossen und das Klima nicht noch stärker zu belasten.
Sonst spielt auch Geld keine Rolle mehr. Also, noch einmal, ermuntern, ja drängen Sie alle, die einen Stimmzettel ausfüllen dürfen, mit Ihnen an die Urne zu wandern. Ihre Kinder und Kindeskinder
werden dankbar sein.