Wer dieser Tage die Klimaschlagzeilen auch nur überfliegt, hat absolut keinen Grund für Optimismus. Neue Hitzerekorde sagt die Weltwetterorganisation voraus, das 1,5 Grad Ziel wird voraussichtlich schon übermorgen (2027) geknackt, Wetterextreme mit verheerenden Folgen in Europa und anderen Weltgegenden werden primär dem Klimawandel zugeschrieben. Die wirksamsten Mittel dagegen sind hinlänglich bekannt, und doch bewegt sich wenig bis gar nichts. Jetzt grätscht auch noch die Zürcher Gebäudeversicherung der Energiewende dazwischen.
Ab elf Metern Bauhöhe werden Solarpanels an Fassaden nicht mehr toleriert, ausser die Bauverantwortlichen können beweisen, dass sich ein Fassadenfeuer nicht weiter als über zwei Stockwerke ausbreiten kann. Zwölf Bauprojekte seien bislang deswegen abgelehnt worden, weiss der Grüne Zürcher Kantonsrat und Vizepräsident von Swissolar David Galeuchet.
Die Gebäudeversicherung des Kantons Zürich verlangt neuerdings Beweise mit realen Brandversuchen. Doch gibt es im ganzen Land keine einzige Versuchsanlage dafür. Kommt dazu, dass ausser den «Zürichern» bislang keine andere Versicherung solches verlangt. Neu gelten in Zürich Solarpanels wegen Kunststoffecken und Folien nicht mehr als «nicht brennbar» sondern als «schwer brennbar».
Der Tages-Anzeiger schildert, was Architekt Roman Legler bei einer Totalsanierung eines mehrstöckigen Wohnhauses erlebt hat. Aus der «energetischen Vollsanierung» mit Fassadenanlage wird vorerst nichts. Nach mehreren Monaten der Prüfung, inklusive einem 27-seitigen Brandschutzkonzept, beschied die Behörde, die feuerpolizeilichen Auflagen seien nicht erfüllt. Besonders ärgerlich: Trotz vorgängiger Erkundigung hat ihn niemand auf eine Brandschutzprüfung hingewiesen. «Da werden die Spielregeln mitten im Spiel geändert. Mit solch rigiden Vorschriften», meint der Architekt, «schaffen wir die Dekarbonisierung nie».
Swissolar will diese Praxis nun möglichst bald ändern und mit systematischen Brandversuchen beweisen, dass keine Gefahr droht. Weil die Infrastrukturen für solche Versuche in der Schweiz nicht vorhanden sind, kann es noch Jahre dauern. Deshalb sucht der Verband mit den Gebäudeversicherungen eine Übergangslösung. Frederik Gort von Swissolar weiss: «Wir können es uns nicht leisten, die Energiewende zu bremsen, weil eine Versicherung an einer Null-Toleranz-Strategie festhält.»
Im Zürcher Kantonsrat wurde eine parlamentarische Initiative überwiesen, die PV-Anlagen auf Parkplätzen und Dächern verlangt. Für grosse Neubauten soll es auch eine PV-Fassaden-Pflicht geben. Zudem sind auch im Kanton Zürich schon seit längerem PV-Fassaden in Betrieb, die von der Feuerpolizei ausdrücklich abgesegnet worden sind. Die obligatorische Gebäudeversicherung zeigt sich wenig flexibel und beruft sich auf ihr «übergeordnetes Ziel», die Sicherheit von Menschen und Gebäuden.
Nun hängt die Sicherheit von Menschen und Gebäuden von einer ganzen Reihe von Faktoren ab. Nicht zuletzt von einem Klima, das einigermassen im Lot bleibt. Die Energiewende, und damit der Ausstieg aus den fossilen Energien, kann nur mit einem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien gelingen. Und genau da hinkt die Schweiz abgeschlagen hinterher. Bis zur CO2-Neutralität bis 2050 ist der Weg noch lang, die Zeit kurz. Und die Politik macht eine schlechte Figur, wenn es um Konkretes geht. So will die Umweltkommission des Ständerates etwa Einfamilienhäuser von der Solarpflicht ausnehmen. Das ist ganz einfach absurd. Wer in der Schweiz die Summe aufwenden kann, um sich ein neues Haus auf einem eigenen Grundstück zu bauen, kann sich auch eine Solaranlage auf dem Dach leisten. Ein solches Gesetz hat nichts mit «Eingriff ins Privateigentum» zu tun.
Der Ausbau der Solarenergie hat in Sachen alpine Grossanlagen bereits einen herben Dämpfer erlitten. Grengiols Solar wurde massiv redimensioniert. Nicht mehr fünf Quadratkilometer sollen es sein, sondern noch einen. Anstatt 2’000 Gigawattstunden werden 110 erwartet. Und es sind noch zwei Abstimmungen zu gewinnen: Ja sagen müssen die Burgergemeinde Grengiols, der das Land gehört, sowie die Gemeinde selbst. Die Projektverantwortlichen sind auch unter einem gehörigen Termindruck. Damit der Bund 60 Prozent der Baukosten übernimmt, müssen zehn Prozent des Stroms Ende 2025 fliessen.
Selbst Initiator Peter Bodenmann ist ernüchtert. «Bis Ende 2025 wird kein einziger Solarpark realisiert sein», sagte er zum Tages-Anzeiger. Das kann gut sein, solange die nötige Infrastruktur fehlt, um den in grosser Höhe produzierten sauberen Strom dorthin zu leiten, wo er gebraucht wird.
Das Bild des Flickenteppichs, der bei der Energiewende die ganze Schweiz zudeckt, bleibt bestehen. Hoffen wir, dass ein klares und eindeutiges Ja am 18. Juni die Politik dazu animiert, ihn endlich aufzurollen.
Christa Dettwiler