Gastgeber des diesjährigen Klimagipfels sind die Vereinigten Arabischen Emirate. Eigentlich eine bestechende Idee, grosse CO2-Emittenten in den fossilen Ausstieg einzubinden. Doch in diesem Fall gibt es grosse Fragezeichen, sehr grosse. Zwar versucht der designierte Präsident, Sultan Al Jaber, alles, um sich als unbefangen zu erklären, aber so richtig glauben mag das wohl niemand. Jetzt enthüllt die englische Zeitung «The Guardian», was die Emirate neben der Ausrichtung des Gipfeltreffens sonst noch so alles planen.
Man ist sich einig, wenn jetzt nicht endlich die richtigen Pflöcke eingeschlagen werden, ist die Klimakrise nicht mehr aufzuhalten. Deshalb lasten grosse Hoffnungen auf dem Cop28-Treffen, das im Dezember stattfinden wird. Diesen Hoffnungen dürfte der Guardian-Artikel einen gehörigen Dämpfer aufsetzen: Das nationale Unternehmen Adnoc, als dessen CEO eben dieser Sultan Al Jaber fungiert, plant nämlich eine massive Expansion seiner Öl- und Gasförderung. Die angestrebte Menge entspricht etwa 7,5 Milliarden Öl-Barrels. Dabei müssten 90 Prozent davon in der Erde bleiben, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, das die Internationale Energie Agentur (IEA) vorgegeben hat.
Adnoc rangiert auf Rang 11 der weltgrössten Öl- und Gasproduzenten. Die geplante Expansion wird nur noch von Saudi-Arabien und Katar überboten. Im November letzten Jahres gab Adnoc bekannt, über fünf Jahre 150 Milliarden US-Dollar in eine «beschleunigte Wachstumsstrategie» für Öl- und Gasförderung investieren zu wollen. Das steht der Forderung des UNO-Generalsekretärs ziemlich diametral entgegen, der die Welt dazu aufrief, jegliche Lizenzen und Investitionen in neue Öl- und Gasförderung zu unterlassen.
Al Jaber scheint das alles nicht anzufechten. An der «Road to Cop28»-Vorbereitungskonferenz in Dubai im März sagte er allen Ernstes: «Wir (die Welt) müssen raschmöglichst die Emissionen senken.» Einen Tag später, anlässlich eines Runden Tisches der IEA, liess er verlauten: «Öl- und Gasunternehmen müssen sich hinter Netto-Null stellen.» Und im Februar äusserte er diesen denkwürdigen Satz: «Wir in den Vereinigten Arabischen Emiraten drücken uns nicht vor der Energiewende, wir eilen ihr entgegen.»
Das klingt alles sehr schön und gut und hoffnungsvoll. Das Problem ist einzig, dass Adnocs Pläne in die gegenteilige Richtung zielen. Um das von der IEA vorgegebene Szenario von Netto-Null bis 2050 zu erreichen, hätten eigentlich nach 2021 keine neuen fossilen Förderprojekte mehr bewilligt werden dürfen. Aber 90 Prozent der Adnoc-Expansion wurden weit nach diesem Datum beschlossen. Mit ihren neuen Projekten würde Adnoc das IEA-Szenario um 6,8 Milliarden Barrel Öl-Äquivalente überschreiten. Damit hievt sich das Unternehmen auf Rang drei weltweit, übertroffen nur noch von Saudi Aramco mit 11,4 und Katar-Energy mit 7,6.
Voller Stolz beschreibt Adnoc seine Expansion im oberen Zakum-Ölfeld: Ein «Mega-Projekt», das «zweitgrösste Offshore Ölfeld der Welt». Dafür würden «vier künstliche Inseln in flachem Wasser gebaut, die 450 Quellen, 90 Plattformen sowie Bohrgeräte, Verarbeitungsanlagen und Infrastruktur beherbergen können». Dagegen steht im jüngsten IPCC-Report klar und deutlich, dass die CO2-Emissionen aus den bestehenden fossilen Projekten bereits ausreichten, um die 1,5 Grad Grenze zu überschreiten.
Kein Wunder, verwerfen Klimaschützerinnen rund um die Welt die Hände. Nils Bartsch von der NGO Urgewald, die an der Recherche über die Pläne von Adnoc beteiligt war, spricht Klartext: «Die neuen Fakten beweisen, dass die Wahl von Sultan Al Jaber zum Präsidenten des Cop28 die Institution zum Gespött macht. Einen Öl- und Gasmanager zum Cop-Präsidenten zu machen, beweist ein totales Ausblenden der Probleme. Es ist ein fatales Zeichen für die Welt.»
Es überrascht wenig, dass die Rufe nach einem Rücktritt Al Jabers lauter werden. Man berufe schliesslich auch nicht den Chef eines Tabakunternehmens, um ein globales Rauchverbot auszuhandeln.
Christa Dettwiler