Das fängt ja gut an. Die SonntagsZeitung proklamiert einen «globalen Atomenergie-Boom» und der deutsche Bundesfinanzminister Christian Lindner fordert, das Fracking-Verbot in Deutschland im neuen Jahr aufzuheben. Er erwartet sich von der Grundwasser gefährdenden Prozedur klare «Wettbewerbsvorteile gegenüber Gas aus anderen Weltregionen». Möglicherweise täte ihnen ein Ausflug ins weltweite Glück gut, das zurzeit in der Umweltarena Spreitenbach zu finden ist.
Man reibt sich schon am ersten Tag des neuen Jahres verwundert die Augen: Die SonntagsZeitung titelt völlig ernsthaft «Die Schweiz gerät mit ihrem AKW-Verbot gerade ins Abseits». Eigentlich meinte man, dieses Thema sei langsam aber sicher gegessen. Nix da. Es wird offenbar gerade neu lanciert. Finnland, schreibt der Autor, setze trotz desaströser Erfahrungen mit dem Neubau ihres AKW Olkiluoto voller Überzeugung auf Atomkraft, um dem Klimawandel zu trotzen. Der Bau dauerte 14 Jahre länger als geplant und kostete mit 11 Milliarden Euro viermal so viel wie ursprünglich budgetiert. Dann ruft der Autor gleich einen weltweiten Trend aus und schwurbelt weiter über nicht existente Mini-AKW, die erst noch viel sicherer seien. Uranabbau-, AKW-Abriss, Abfälle und Entsorgung verdienen höchstens einen Nebensatz.
Ist ja schön und gut, mag man sagen. Der darf ruhig weiterträumen, zumal es in der Schweiz keinen einzigen Stromkonzern gibt, der auch nur daran denkt, so ein Ding zu finanzieren. Wer weiss denn schon, wie die Weltgeschichte in etwa 20 Jahren, bis so ein Neu-AKW überhaupt steht, aussieht. Axpo und Co. werden sich hüten, solche finanziellen Risiken einzugehen. Vielmehr ängstigen sie sich davor, wie viel der Abriss und die sichere Lagerung der bestehenden Meiler sie kosten werden.
Dass in Deutschland jemals Gas aus der Erde gepresst werden wird, ist ebenfalls unwahrscheinlich. Fracking, bei dem in Erdschichten enthaltenes Erdgas mit Chemikalien und Druck extrahiert wird, ist ein äusserst unsauberes Geschäft, das das Grundwasser gefährdet und die Umwelt nachhaltig beschädigt. Und klimafreundlich ist es erst recht nicht.
Warum sich an die Vergangenheit klammern, mag man sich fragen. Warum nicht alle zur Verfügung stehenden Ressourcen für die Weiterentwicklung von effizienten Verbrauchssystemen und für die Verbesserung moderner Technologie für erneuerbare Energien und deren Speicherung einsetzen? Wovor haben diese Leute Angst?
Vielleicht täte ihnen ein Besuch in der Umweltarena in Spreitenbach gut. Dort läuft zurzeit eine Ausstellung der Entwicklungsorganisation Helvetas unter dem Titel «Global Happiness – mit Nachhaltigkeit zum Glück». Wie kann mensch glücklich leben, ohne der Umwelt, anderen Menschen oder den nachfolgenden Generationen Schaden zuzufügen?
Menschen aus aller Welt kommen zu Wort. Dazu Expertinnen aus der Glücksforschung, die zum Beispiel wissen, wie die Rahmenbedingungen für Glück aussehen müssten. Die Umweltarena lädt in rund 45 verschiedene Ausstellungswelten ein. Da kann man anfassen und ausprobieren. In der «Recycling City» etwa werden Solarmodule rezykliert, am stromlosen Flipperkasten lernt man etwas über eine nachhaltige Energiezukunft. Es gibt allerlei E-Mobile zum Ausprobieren und auf der Energierutschbahn etwas über die Stromproduktion erfahren.
Klingt doch alles sehr viel spannender, als veralteter Technik nachzuhängen oder davon zu träumen, die Erde mit Gewalt zu drangsalieren, um ihr auch noch die letzten Ressourcen zu entreissen.
Christa Dettwiler