Es sind Begriffe, die auf der Zunge zergehen wie trockene Weihnachtsgutzi: Verwendungsbeschränkungen und Verbote, Kontingentierung und Sofortkontingentierung, Netzabschaltung. Damit wird sich das Parlament bis zum 12. Dezember beschäftigen. Es geht um «Bewirtschaftungsmassnahmen im Fall einer schweren Strommangellage». Wie es auch anders ginge, testet mittlerweile eine St. Galler Gemeinde.
Während es rundum blinkt und leuchtet und funkelt – Luzern etwa trieft förmlich vor Weihnachtsbeleuchtung – brütet das Parlament über die Vernehmlassung von Stromsparmassnahmen, falls der Schweiz in diesem Winter doch noch der Pfuus ausgehen sollte. Das Papier sieht 70 Massnahmen und vier Eskalationsstufen vor. Mit jeder werden die Einschnitte ins tägliche Leben drastischer. Die Skala reicht von Stromsparapellen bis zu Fahrverboten für E-Autos, von nicht vorgeheizten Backöfen bis zu Betriebsschliessungen.
Die Hausaufgaben wurden akribisch gemacht: Kühlschränke dürfen nicht unter 9 Grad kühlen, Wäsche darf nicht mit mehr als 40 Grad gewaschen und vor allem nicht gebügelt werden. Whirlpools bleiben kalt, Rolltreppen stehen still. Laubbläser und Heizpilze, Gaming-Computer und Discobeleuchtung bleiben ausgeschaltet. Auch Streamingdienste werden nicht verschont und müssen sich auf Standard Definition (SD) beschränken.
Während in öffentlichen Räumen die Temperatur auf 19 Grad beschränkt wird, darf sie in Gästezimmern des Gastgewerbes um ein Grad höher liegen, um «u.a. auch ausländische Gäste» nicht zu vergraulen. Wer allerdings mit Öl heizt darf anfeuern bis der Kamin qualmt. Und dann das, was jetzt schon für gehörig Ärger sorgt: Wer elektrisch fährt, geht bei Eskalationsstufe 3 zu Fuss. Ausser zum Einkaufen, für Arzt- oder Kirchenbesuche und Berufsausübung muss das E-Mobil in der Garage bleiben.
Christoph Imboden, Professor am Institut Innovation und Technologiemanagement der Hochschule Luzern, ist überzeugt, dass es elegantere Lösungen gibt als Verbote: «Anlagen per Reglement abzustellen ist eine von drei Möglichkeiten, um Angebot und Nachfrage aufeinander abzustimmen. Eine zweite sind Tarifmodelle mit kurzfristig schwankenden Strompreisen. Drittens gibt es das marktbasierte Modell, in dem ein Kunde, der flexibel ist punkto Zeitpunkt des Stromverbrauchs, diese Flexibilität vermarktet», sagte er gegenüber dem Tages-Anzeiger.
Und genau diese dritte Möglichkeit soll im Versorgungsgebiet der St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke (SAK) ausgetestet werden. Dabei werden bis zu 100 Privathaushalte verbunden, die ihren flexiblen Stromverbrauch anbieten. So wird etwa das Elektroauto erst dann geladen, wenn es für die Netzstabilität am besten ist. Auch Waschmaschinen oder andere Geräte rufen Strom ab, wenn genügend vorhanden ist. Für diese Flexibilität sollen die Haushalte entschädigt werden.
Alles, was es dazu braucht, ist ein Smartmeter, der Daten zum Stromverbrauch speichert und alle 15 Minuten an den Netzbetreiber übermitteln. Werden flexibel steuerbare Stromverbraucher und -erzeuger virtuell gebündelt, entsteht ein virtuelles Kraftwerk. Darin eingebunden sind auch zahlreiche kleinere Photovoltaik-Anlagen, Autobatterien können als Speicher dienen. In St. Gallen wird also die Zukunft getestet. Denn die Technologie für solche Virtual Power Plants (VPP) ist bereits vorhanden – intelligente Stromzähler und Geräte, die sich ansteuern lassen, Speicherbatterien und Photovoltaik-Anlagen. Doch die Umsetzung harzt vor allem in der Schweiz. Die Stromversorgung basiert hierzulande immer noch auf einem zentralisierten Stromnetz mit Grosskraftwerken. Der Weg zu vielen dezentralen Produzenten und intelligent vernetzten Privathaushalten ist noch weit.
Doch die Hoffnung auf innovative und zukunftsfähige Lösungen, die Bügelverbote ersetzen, darf nicht sterben. Und es gibt keinen Grund, der Empfehlung des Kantons Basel-Stadt zu folgen, die in ihren Stromsparappellen empfiehlt: Lieber aufhängen und Energie sparen.
Christa Dettwiler