Der Begriff gehört mittlerweile zum gängigen Wortschatz: Fachkräftemangel. Besonders aktuell ist er im Zusammenhang mit der Solarenergie. Weil immer mehr Menschen, Betriebe, Gemeinden gemerkt haben, dass die Energie von oben doch keine so blöde Idee ist, boomt das Solargeschäft. Das hat nichts mit einem spontanen Ausbruch von Vernunft zu tun, sondern ganz schnöde mit Geld. Nun wollen zwar viele ein Kraftwerk auf dem Dach, aber wer soll das bauen? Fachkräfte eben. Jetzt hat das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation grünes Licht für eine entsprechende Lehre gegeben.
Im ersten Moment reibt man sich verwundert die Augen: Warum erst jetzt? Aber tatsächlich gab es die ab dem Schuljahr 2024/25 neu eingeführten Berufslehren «Solarmonteur:in EBA» und «Solarinstallateur:in EFZ» nicht. Entwickelt haben die neuen Berufsbilder Swissolar, das Bildungszentrum Polybau und Branchenvertreter. Sie sei «ein wichtiger Schritt, um den immensen Fachkräftebedarf in der rasch wachsenden Schweizer Solarbranche langfristig zu decken und die Professionalisierung weiter voranzutreiben».
Dass Jugendliche überaus talentiert sind, wenn es darum geht, Dächer in Kraftwerke zu verwandeln, weiss Solarspar aus bester Erfahrung. Etliche der PV-Anlagen – vorab auf Ställen und Häusern von Bäuerinnen und Landwirten im Bündnerland – wurden in Zusammenarbeit mit dem Greenpeace Jugendsolarprojekt realisiert. Das Interesse und das Engagement der jungen Leute aus aller Welt waren bei jedem Projekt deutlich spürbar und machten aus der Arbeit ein veritables Fest.
Es ist überaus erfreulich, dass die Schweiz mit diesen beiden neuen Lehren motivierten Jugendlichen einen sinnvollen Berufsweg eröffnet. Swissolar hat dafür auch mächtig Dampf gemacht: Von Mai bis September 2022 wurden die neuen Berufsbilder definiert, Anforderungsprofile ausgearbeitet und Ausbildungspläne entworfen. Solarmonteur:innen werden künftig in zwei Jahren ausgebildet, Solarinstallateur:innen in drei. Schnupperlehren sind übrigens ab sofort möglich.
Die Branche wird froh sein, wenn ausgebildete Fachleute nur so vom Fliessband purzeln. Denn die Schweiz muss ihren Anteil an Solarstrom in den nächsten Jahren mächtig steigern, um Atomstrom und fossile Energien zu ersetzen. Swissolar will bis 2035 die Zahl der Fachkräfte entsprechend verdoppeln – auf 20’000.
Allerdings können die Solarfirmen gar nicht warten, bis die ersten Lehrabgänger:innen zur Verfügung stehen. Sie brauchen die Fachkräfte jetzt und schicken interessierte Quereinsteiger:innen zu Marco Walker, Leiter der Höheren Berufsbildung am Bildungszentrum Polybau in Uzwil. Der Grundlagenkurs für Solarmontage dauert fünf Tage. «Wir hatten noch nie ein Bildungsangebot, das auf Anhieb so gefragt war», sagte Marco Walker im Tages-Anzeiger.
Solarunternehmen sorgen auch selbst für Nachwuchs. So hat Helion, das grösste Solarunternehmen in der Schweiz, eine eigene Akademie gegründet, wo seit anderthalb Jahren eigene Mitarbeitende ausgebildet werden, immerhin 250 an der Zahl. Doch das ist für Helion-Chef Noah Heynen nur eine Notlösung. Auch er meint, man müsse mächtig Gas geben: «Wir müssen in der Schweiz jährlich 1500 Leute rekrutieren, um die Solar-Ausbauziele zu erreichen.»
David Stickelberger, Geschäftsführer von Swissolar, ist sich durchaus bewusst, dass der «Kampf» um Fachkräfte in verschiedenen Berufen entbrannt ist. Man knüpfe jetzt schon Kontakte zu Branchen, denen die Arbeit allmählich ausgehe – Kaminfeger:innen etwa.
Im Tages-Anzeiger gibt sich Helion-Chef Heynen optimistisch: «Junge Branchen haben immer einen gewissen Sexiness-Faktor. Zudem ist die Solarbranche eine, die Sinn macht.» Sinnvolle Sexiness, was will man mehr?
Christa Dettwiler