In Ägypten hat die Weltklimakonferenz begonnen. In Katar wird demnächst die Fussball-WM angepfiffen – in tiefgekühlten Stadien. In der Schweiz schmelzen die Gletscher in Rekordzeit. In Zermatt sollte ein neues spektakuläres Skirennen veranstaltet werden – hätte es denn genügend Schnee gehabt. Widersprüche, wohin man blickt, während das so hoch gehandelte 1.5 Grad Ziel sang- und klanglos in der Versenkung verschwunden ist.
Weltweit wird an der Energiewende gewerkelt, während aktuell Öl, Gas und Kohle in Rekordmengen gefördert werden. Arme Staaten mit wenig CO2-Ausstoss warten vergeblich auf die verbindlich zugesagten Klima-Milliarden von reichen Staaten mit gigantischen CO2-Emissionen, während die reichen Energiekonzerne dank Höchstpreisen für Fossile noch sehr viel reicher werden.
Um aufzurütteln, machen junge Menschen Kunst mit Härdöpfelstock und Tomatensauce, bleiben an Dino-Skeletten oder Mauern kleben und empfinden sich als die letzte Generation. Dafür werden sie selbst von Grünen und Fridays-for-Future-Aktivistinnen kritisiert und gehören, laut Volksmeinung, in den Knast. Dafür pilgern die Grossen und Einflussreichen nach Saudi-Arabien, betteln um Öl und küssen Mohammed bin Salman, der auch einmal unliebsame Journalisten zerstückeln lässt, die Hand oder auch ein anderes Körperteil.
Wer fühlt sich nicht – Entschuldigung – total verarscht, wenn er oder sie nachts an hell erleuchteten Supermärkten und Schaufenstern nach Hause bummelt, sich mit einem wohlverdienten Bier vor den Fernseher hängt und aufgefordert wird, den Backofen nicht vorzuwärmen oder möglichst gar nicht mehr zu duschen?
Sind ja sicher gut gemeint, diese TV-Spots. Auch die Botschaft ist durchaus richtig. Es ist allerhöchste Zeit, sorgfältiger mit Ressourcen umzugehen. Mit weniger auszukommen, sich zu begnügen und zu beschränken. Und wenn das viele täten, hätte das auch durchaus eine grosse Wirkung. Wenn allerdings die Wenigen, die viel zu viel verbrauchen, horten, für sich in Anspruch nehmen, keinen Wank in diese Richtung tun, dann haben die Vielen noch weniger Motivation, mit weniger auszukommen.
Sonia Seneviratne ist Klimawissenschaftlerin und Professorin an der ETH Zürich. Sie blickt ziemlich durch und hat auch an Berichten des Weltklimarates mitgeschrieben. Sonia Seneviratne fliegt, fährt oder geht nicht nach Sharm-el-Sheikh zur mittlerweile 27. Klimakonferenz. Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» begründete sie ihr Fernbleiben: «Es geht einfach viel zu langsam vorwärts. Mit den Versprechungen, welche die Länder bisher für den Klimaschutz gemacht haben, steuern wir bis Ende Jahrhundert auf eine Erderwärmung von 2,4 Grad zu.»
Weil alle Entscheidungen im Konsens getroffen werden müssen, bleibt am Schluss eben nur der kleinste gemeinsame Nenner. Frau Seneviratne hätte da eine Idee: «Es bräuchte eine Allianz der Willigen. Jene Länder, die ernsthaften Klimaschutz betreiben wollen, sollten gemeinsam vorausgehen.» Und vor allem sollten sie ihre Versprechungen auch einhalten. Wie etwa die, ärmere Staaten ab 2020 jährlich mit 100 Milliarden Dollar Klimahilfen zu unterstützen. Das ist nicht passiert. Und jetzt werfen Länder des globalen Südens einen neuen Begriff in den Ring: «Loss and Damage». Sie wollen für klimabedingte «Verluste und Schäden» entschädigt werden. Allein dafür einen Konsens zu erreichen ist illusorisch, selbst wenn es ein paar Willige gäbe.
Angesichts dessen, was aktuell geschieht oder geplant ist – etwa das 6’500 km lange Öl- und Gasnetz quer durch Afrika, die 4’000 km lange Trans-Sahara-Gas-Pipeline, die längste beheizte Rohölpipeline der Welt vom Albertsee bis an die Küste des Indischen Ozeans, die Wiederaufnahme des Betriebs von Kohlekraftwerken in Deutschland, Subventionierungen des Benzinpreises, Neubau von LNG-Terminals und natürlich Gas, Gas Gas – dürften die Resultate dieses Klimagipfels eher ernüchternd ausfallen.
Auch Sonia Seneviratne hegt keine grossen Erwartungen nach ihren Erfahrungen am letzten Klimagipfel in Glasgow: «...die Länder etwa, die von Öl, Gas oder Kohle leben, wollen meist nichts ändern. Ich war schockiert, was ich in den Hallen vor den Verhandlungsräumen sah: Das war zum Teil wie an einer Messe. Die Firmen, die fossile Energien wie Öl und Gas verkaufen, waren da sehr gut vertreten und lobbyierten.»
Dieses Jahr dürfte das ein wahres Verkaufsfest werden.
Christa Dettwiler