Die Bündeli sind gepackt. Sommerferien. Doch das «ab in den Süden» ist nicht mehr so selbstverständlich wie früher. Wenn die Temperaturen hierzulande schon im Juni mehr als südlich sind, wie warm wird’s erst im Juli und August im Süden sein? Bei 45 Grad im Stau zu stehen, der laut Experten dieses Jahr rekordmässig ausfallen soll, könnte durchaus lebensgefährlich werden. Vor allem, wenn einen der hohe Benzinpreis noch zusätzlich ins Schwitzen bringt.
Dennoch ist die alljährliche Migration von Nord nach Süd nicht aufzuhalten. Möglicherweise hat sie sich über die Jahrzehnte ins genetische Programm eingefräst wie bei den Zugvögeln. Wer dazu künstliche Schwingen braucht, kann ein eventuell auftauchendes schlechtes Gewissen, auch Flugscham genannt, mit einem Klimaticket besänftigen. Solafrica, die NGO mit den originellen Ideen gegen den Klimawandel, bietet diesen Ablasshandel an.
«Fliegend Solaranlagen bauen», lockt Solafrica. Der geflogene Kilometer kostet einen Rappen. Diese Rappen fliessen zu 100 Prozent in den Bau neuer Schweizer Solaranlagen. Der Erlös aus diesen Sonnenkraftwerken wiederum finanziert die Projekte von Solafrica. Selbstverständlich könnten Urlaubsmigrantinnen auch mit ihren gefahrenen Kilometern Solarkraftwerke bauen, Solafrica hätte bestimmt nichts dagegen. Auf den einen Rappen kommt’s bei den aktuellen Benzinpreisen sowieso nicht mehr an.
Rechnen wir mal: 100’000 Menschen fahren 1’000 km und drücken den einen Rappen pro km für Sonnenkraftwerke ab. Das ergibt eine Million Franken. Damit könnte man ganz schön was bauen. Doch dafür braucht es Arbeitskräfte – und die sind gesucht wie nie. «Wir könnten rund um die Uhr arbeiten, und das würde dennoch nicht reichen», sagt Florian Flückiger in einem Beitrag des Schweizer Fernsehens. Er bildet an der Technischen Fachschule Bern angehende Solarteurinnen aus.
Schweizweit sind rund 8’500 Fachkräfte damit beschäftigt, den vom Ukrainekrieg und der daraus resultierenden Energiekrise befeuerten Solarboom zu verwirklichen. In den letzten drei Jahren wuchs die Solarbranche in der Schweiz um 30 bis 40 Prozent. Der Personalbestand verdoppelte sich. Laut David Stickelberger, Geschäftsführer des Branchenverbandes Swissolar, sind weitere 500 Stellen nicht besetzt. Und um die Ziele der Energiewende zu erreichen, brauche das Land bis 2030 mindestens 20‘000 Fachkräfte.
Bis in zwei Jahren soll daher eine neue Lehre zum Solarteur geschaffen werden. Auch gestandene Berufsleute wie Dachdeckerinnen oder Gerüstebauer werden mit Kursen in die Grundlagen der Solartechnik eingeführt, damit sie den Fachleuten unter die Arme greifen können. Da passt die neue Studie des deutschen Wirtschaftsinstituts, das die Schweizerische Energie-Stiftung in Auftrag gegeben hat, bestens ins Bild: Die Stromversorgung wird sicherer und stabiler, wenn statt auf den Weiterbetrieb alter AKW auf einen beschleunigten Ausbau von Solarkraftwerken gesetzt werde.
Auch die neusten Zahlen des Bundesamtes für Energie lassen aufhorchen: Der Energieverbrauch in der Schweiz ist letztes Jahr «markant» gestiegen. Wir haben nicht nur mehr Energie gebraucht, um zu heizen, wir haben 2021 auch mehr Treibstoff verbrannt. Rund ein Drittel des gesamten Energieverbrauchs haben wir verfahren oder verflogen. Also her mit dem Solarrappen, auf dass die neu ausgebildeten Solarteurinnen den steigenden Energieverbrauch mit Sonnenkraftwerken decken können.
Christa Dettwiler