Ab sofort müssen wir die Luft anhalten, denn Ausatmen produziert CO2. Und wie die Bilanz zeigt, die verschiedene Hilfswerke kürzlich der Landesregierung präsentiert haben, hat die Schweiz ihr CO2-Budget für das laufende Jahr schon Mitte März aufgebraucht. Stefan Salzmann, Fachexperte Energie- und Klimagerechtigkeit bei Fastenaktion: «Wenn die Schweiz zum 1,5 Grad-Ziel beitragen und dieses mit 66 Prozent Wahrscheinlichkeit erreichen will, dann ist das Guthaben an CO2 aufgebraucht – unser Konto ist leer.»
Da trifft es sich gut, dass die Schweizer Bevölkerung einem beschleunigten Solarausbau überaus positiv gegenübersteht. Denn bevor wir kollektiv die Luft anhalten, gibt es durchaus Möglichkeiten, das uns zustehende CO2-Budget besser zu verwalten. Die Sonne für unsere Energieproduktion einzusetzen ist eine der wirksamsten Massnahmen und am schnellsten zu bewerkstelligen.
Im Auftrag der Schweizerischen Energie-Stiftung SES hat gfs-zürich die Bevölkerung über ihre Einstellung zur Sonnenenergie befragt. Über tausend Personen wurden befragt und haben mit ihren Antworten selbst Fachleute überrascht. So hielten es 93 Prozent der Befragten für durchaus wünschenswert, Solaranlagebauern finanziell unter die Arme zu greifen, damit Solaranlagen auf privaten Liegenschaften nicht zum Verlustgeschäft werden. Und 75 Prozent unterstützen die Idee, dass bei Dachsanierungen Solaranlagen zur Pflicht werden. Satte 79 Prozent der Befragten wären sogar bereit, für Sonnenstrom tiefer in die Tasche zu greifen.
Nun ist das so eine Sache mit Umfragen. Antworten, die das Gewissen beruhigen, kosten vorerst mal nichts. Und wenn es dann ans Eingemachte geht, ist einem das Hemd doch näher als die Hose.
Das gilt auch beim Kleider-Shoppen. Dabei gerät die Konsumentin schnell einmal ins Schlingern, wenn sie sich zwischen einem Billigfähnchen für eine Saison und einem guten Stück für viele Jahre entscheiden muss. Seit 1990 hat sich der durchschnittliche Klamottenkonsum in der Schweiz verdreifacht. Statt fünf Kilogramm – was einigermassen nachhaltig wäre – sind es heute rund 15 Kilo. Mit den entsprechenden Nebenwirkungen selbstverständlich.
Nach der Erdölproduktion besetzt die Herstellung von Billigmode den unrühmlichen zweiten Platz auf der Hitparade der global umweltschädlichsten Industrien. Die riesigen Altkleiderberge in der Chilenischen Atacama-Wüste sind nur ein eindrückliches Beispiel dafür. Bis zu 20 Tonnen alter oder neuer unverkaufter Ware – in China produziert, in Europa oder den USA gekauft – landen täglich im Chilenischen Naturparadies unter offenem Himmel.
Genau diesem Thema hat sich der Verein Klima-Grosseltern am letzten Samstag in Zürich angenommen. In Sichtdistanz zur Bahnhofstrasse, zu Shoppern mit Einkaufstüten von Modeläden, haben sie «freudvolles Masshalten» propagiert. Beim «Fashion fürs Klima» Projekt auf dem Werdmühleplatz standen nicht nur hochwertige Altkleider zum Kleidertausch zur Verfügung, auf Infotafeln wurde um «Klasse statt Masse» geworben und im Klimapavillon wurden Kleidergeschichten vorgelesen. Etwa über die «Weltreise eines T-Shirts».
Die Organisatorinnen betonen, dass sie wohl auf positive Botschaften und Methoden setzten, dass es aber keineswegs genüge, das individuelle Konsumverhalten an die Kandare zu nehmen. Sie fordern auch zwingend Handeln auf der politischen Ebene ein. Dennoch, ein ketzerischer Gedanke drängt sich auf: Stellen Sie sich vor, ganze Völker erleben einen kollektiven Bewusstseinssprung und verweigern ganz einfach jeglichen nicht lebensnotwendigen Konsum. Oder setzten auf die Labels «regional, ökologisch, nachhaltig». Eben Klasse statt Masse.
Wäre doch allemal besser als die Luft anzuhalten.
Christa Dettwiler