Dieses Gefühl der Machtlosigkeit ist eigentlich unerträglich. Der Klimawandel, die Pandemie, jetzt der Krieg. Es ist gerade schwer, den Kopf über Wasser zu halten angesichts der Flut schrecklicher Nachrichten und Bilder. Um nicht darin unterzugehen, müssen wir schwimmen. Und das erst noch gegen den Strom. Das ist ungeheuer anstrengend, aber es bleibt uns nichts anderes übrig. Stemmen wir uns also gegen den Sog der Machlosigkeit und strampeln wir los. Die Internationale Energieagentur IEA hat Ziele ausgeflaggt, die wir anvisieren können. Das hilft gegen die Erschöpfung.
Das aktuelle Ziel heisst «weg von russischem Öl und Gas». Das können wir nur erreichen, wenn wir alle gemeinsam strampeln. Es hilft, daran zu denken, dass wir damit auch gleich dem Klima einen sehr grossen Gefallen tun. Nach Berechnungen der IEA können zehn Sofortmassnahmen die Ölnachfrage in Industrieländern in Höhe von täglich 44,6 Millionen Barrel innerhalb von vier Monaten um 2,7 Mio. Barrel senken. Diese Menge entspricht fast der Hälfte der russischen Ölimporte in die OECD-Länder.
Das ist doch ein Ziel, das sich – trotz Krämpfen in den Beinen – anzupeilen lohnt.
Tempolimit auf Autobahnen
Eine generelle Reduktion um nur zehn Stundenkilometer spart kurzfristig rund 290 000 Barrel Öl pro Tag ein. Lastwagen verbrauchten zusätzlich 140 000 Barrel Diesel ein. Zusammen macht das acht Prozent der russischen Ölimporte in die OECD-Staaten aus.
Mehr Homeoffice
Die Pandemie hat’s gezeigt: Arbeit kann grossteils auch von zuhause aus erledigt werden. Das spart Geld und schont das Klima. Laut Berechnungen der IEA würden drei Tage Homeoffice pro Woche rund 500 000 Barrel einsparen – neun Prozent der russischen Ölimporte der Industrieländer.
Autofreie Städtesonntage
Ältere Leserinnen erinnern sich: 1973 wurden autofreie Sonntage im Zug der Ölkrise zum neuen Normal. Würde jeder Sonntag allein in Grossstädten autofrei, würden 380 000 Barrel Öl täglich weniger verbraucht – etwa sieben Prozent der russischen Importe.
Nah-, Fuss- und Radverkehr
Mit dezidierter Förderung des öffentlichen Nahverkehrs und dem Ausbau der entsprechenden Infrastruktur, mit Verbilligung der Fahrkartenpreise für den ÖV liesse sich der Ölverbrauch um 330 000 Barrel oder fünf Prozent der Ölimporte aus Russland reduzieren
Fahrverbote für gerade und ungerade Autonummern
In Italien werden wechselnde Fahrverbote für Privatautos in Grossstädten seit der ersten Ölkrise immer wieder eingesetzt. Hauptsächlich wegen der Luftverschmutzung. Bei einem Wechselmodell an zwei Tagen in der Woche würden 210 000 Barrel eingespart, knapp vier Prozent der russischen Importe.
Fahrgemeinschaften
Würde nur auf jeder zehnten Fahrt die Besetzung der Fahrzeuge um die Hälfte zunehmen, könnte der tägliche Ölverbrauch bei gleichzeitigen Anreizen für einen tieferen Verbrauch um 470 000 Barrel sinken und damit fielen mehr als acht Prozent der russischen Öleinfuhren weg.
Bessere Logistik im Güterverkehr
Durch «Eco Driving»-Massnahmen lassen sich rund 320 000 Barrel oder sechs Prozent der Russlandimporte einsparen.
Zug statt Flug
Der Umstieg auf die Schiene bei Reisen unter 1 000 km fielen 40 000 Barrel weg und damit knapp ein Prozent der russischen Importe.
Bildschirm statt Flug
Virtuelle Geschäftstreffen statt Businessclass-Flüge sparen täglich 260 000 Barrel Öl ein, was rund fünf Prozent des russischen Öls entspricht.
E-Mobilität und genügsame Benziner
Trotz Lieferengpässen bei Halbleitern, Rohstoffen und anderen Materialien für die Herstellung von E-Fahrzeugen, könnte kurzfristig der Verbrauch von über 100 000 Barrel Öl vermieden werden, weitere zwei Prozent der Ölimporte aus Russland.
Jede dieser zehn Massnahmen lässt sich rasch und einigermassen unbürokratisch umsetzen. Und, wie erwähnt, sie läppern sich zusammen. Fast die Hälfte der russischen Ölimporte fielen einfach weg – und damit ein beträchtlicher Beitrag an die russische Kriegskasse. Zudem entlasten sie das Klima. Wenn das kein Grund zum Losstrampeln ist – für Sie, für mich, für uns alle.
Und wenn Ihnen vom Strampeln schön warm geworden ist, drehen Sie doch gleich die Heizung um zwei Grad herunter, damit sparen Sie immerhin um die elf Prozent Heizenergie.
Christa Dettwiler