Es ist keine erfreuliche Lektüre, so viel vorweg. Der letzte Woche veröffentlichte Weltklimabericht des IPCC strotzt zwar vor Superlativen, doch die sind durchwegs negativ besetzt: Rekordhitze, Jahrhundertfluten, Monsterstürme. Niemand bleibt verschont, weder Natur, Tiere noch Menschen. Weil wir aktuell von üblen Nachrichten überflutet werden, hat der Weltklimabericht nicht die Aufmerksamkeit erhalten, die er unbedingt verdient.
Die Zahlen sind horrend. Bis zu 3,6 Millionen Menschen sind besonders verwundbar. Sie leben in Regionen, wo die Klimaveränderung massiv zu spüren sein wird. Die Zusammenfassung des Berichts gibt keinen Anlass zu Optimismus: «Weltweit führt der Klimawandel zunehmend zu Verwundbarkeiten, Krankheiten, Unterernährung, Bedrohung der körperlichen und geistigen Gesundheit, des Wohlbefindens und sogar zu Todesfällen.»
Der Uno-Weltklimarat beschreibt sogenannte Erwärmungshotspots wie West- und Zentralafrika, Lateinamerika, asiatische Länder wie Indien, Konfliktgebiete wie Afghanistan und Syrien. Aber auch Europa und die USA werden nicht verschont. Kein Kontinent bleibt aussen vor.
Der Bericht ist deshalb so brisant, weil er sich vor allem um die Folgen für Menschen und Ökosysteme dreht und um das, was die Politik zu ihrem Schutz unternehmen müsste. Klar, dass das zu hitzigen Diskussionen führte. Schliesslich geht es auch um Geld, viel Geld. Um Geld für Küstenschutz, um sturmsichere Gebäude, um die Vermeidung von Hitzetoden. Der Klimabericht macht klar: Das wird teuer. Viel teurer aber wäre es, nichts zu tun.
In der Zusammenfassung der Risiken bis Ende des Jahrhunderts zeigen die Autorinnen auf, dass die Risiken von Dürren, Überschwemmungen und anderen Wetterextremen noch zunehmen werden. Die Rede ist unter anderem auch von einer möglichen Erwärmung des Planeten um vier Grad.
In den Abschnitten, die sich um die Anpassung an den Klimawandel drehen, kommen die Wissenschaftlerinnen zum Schluss, dass die grosse Mehrheit der Regierungen bisher keinen ausreichenden Schutz gewährleisten können und dass die Mittel für die Anpassungen äusserst ungleich verteilt sind.
Die Botschaft lässt keinen Interpretationsspielraum: Es führt kein Weg an Klimaanpassungen vorbei. Denn der Zug für die Verhinderung des Klimawandels ist bereits abgefahren. Selbst wenn ab morgen kein CO2 mehr ausgestossen würde, geht die Klimakrise weiter. Die Schäden könnten durchaus eingedämmt werden, aber «nicht vollständig beseitigt».
Wälder sind heute schon stark geschädigt, Korallen sind bereits im roten Bereich, bei zwei Grad globaler Erwärmung könnten bis zu 18 Prozent aller Arten an Land aussterben.
So düster das Bild ist, das die Wissenschaftler malen, so zögerlich ist das entschlossene Handeln. Mitautorin Lisa Schippen von der Universität Oxford sagt: «An den Diskussionen mit den Regierungsvertretern haben wir gemerkt, wie politisch heikel Fragen nach der Anpassung sind.» Vor allem wenn es um Hilfe an arme Länder geht, wird der Weltklimabericht hoch politisch: «Indem die Regierungen den Bericht offiziell annehmen, erkennen sie das an, und daraus folgen natürlich auch finanzielle Forderungen.»
Wie sehr sich die Lage nach dem letzten Bericht vor sechs Jahren verschlechtert hat, macht die aktuelle Version nur zu deutlich. Andreas Fischlin, Schweizer Klimaforscher und Vizevorsteher der Arbeitsgruppe II, redet Klartext: «Leider müssen wir damit rechnen, dass viele dieser Folgen früher und stärker als zuvor erwartet auf uns zukommen werden.»
Christa Dettwiler