Im Schnitt sieben Prozent mehr gibt’s aktuell für eine Kilowattstunde Solarstrom. Zum ersten Mal seit Jahren steigen die Einspeisetarife. Das freut natürlich jede Solaranlagenbesitzerin, dem Verband unabhängiger Energieerzeuger (VESE) ist jedoch nicht ganz wohl bei diesem plötzlichen Boom. Im Sog der steigenden Energiepreise wird auch der Sonnenstrom lukrativer, denn etliche Elektrizitätswerke koppeln ihre Vergütungen an den Marktpreis für Strom. Das führt dazu, dass grosse Netzbetreiber bis zu 50 Prozent mehr zahlen als im Vorjahr.
Den Preisschub erklärt der VESE so: Das geltende Energiegesetz schreibt vor, dass Netzbetreiber den eingespeisten Strom abnehmen und vergüten müssen. Im Minimum müssen die vermiedenen Kosten vergütet werden. Ist der Strom auf dem Markt teuer, sind die theoretischen Einsparungen der Werke grösser und sie müssen den Solarstrom entsprechend höher vergüten.
Und genau hier liegt laut VESE auch eine Gefahr. Durch die Kopplung an den Spotmarkt seien die Vergütungen während der ersten Corona-Welle gesunken, als Folge der Ukraine- und der damit verbundenen Energiekrise schiessen sie wieder in die Höhe. «Damit wird die Energie aus Solaranlagen zum Spielball der europäischen Spotmärkte für Elektrizität.» Der Verband findet es unverständlich, dass die Einspeisevergütungen für Solarstrom den Marktpreisschwankungen ausgesetzt seien. Denn damit tragen die Investoren Risiken und Kosten alleine. Weil die Entwicklung der Strompreise äusserst unvorhersehbar ist, hielten sie sich eher zurück.
Der VESE schlägt vor, was Solarspar Geschäftsleiter Markus Chrétien seit langem propagiert: Die Vergütung für klimaverträglichen Strom soll den effektiven Kosten einer modernen grösseren Anlage entsprechen – zwischen acht und zehn Rappen. Damit können die Anlagen in jedem Fall wirtschaftlich betrieben werden. Nun geht der VESE noch einen höchst interessanten Schritt weiter. Er stellt sich eine nationale Bilanzgruppe vor, die allen in der Schweiz produzierten Sonnenstrom abnimmt und anteilsmässig an die Elektrizitätswerke verteilt. Das hat verschiedene Vorteile: Preise stabilisieren sich, Versorgungs- und Investitionssicherheit werden erhöht und der Stromkundin entstehen keine zusätzlichen Kosten.
Es wird spannend zu sehen, ob dieser Vorschlag Eingang findet in die laufenden Beratungen zum Energiegesetz. Denn es ist an der Politik, der für die Klimaziele so zentralen Sonnenenergie die Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Allerdings geben die bisherigen Verhandlungen nicht gerade Anlass zur Hoffnung. Die Erfahrung zeigt, dass Kantönligeist, politische Machtspielchen und Eigeninteressen derart einfache und logische Lösungen eher nicht zulassen.
Auch wenn BKW-Kommunikationschef Martin Schweikert kürzlich twitterte: «Eine Fotovoltaikanlage lohnt sich», bleibt das nur eine Momentaufnahme. Tatsächlich vergüten die BKW aktuell die Kilowattstunde Solarstrom mit 27 Rappen. Viermal mehr als im letzten Sommer. Wer dagegen in Zürich Sonnenstrom produziert, ist wohl eher frustriert. Die EKZ, die den Kanton mit Strom versorgt, hat ihren Tarif zwar anfangs Jahr um 1,5 Rappen erhöht – auf extrem bescheidene neun Rappen. Und die Stadt Zürich liegt mit acht Rappen sogar am Schluss des Klassements. Zürich muss also massiv nachbessern, wenn die vom soeben wiedergewählten Stadtrat und EWZ-Chef Michael Baumer formulierten Ziele erreicht werden sollen. Bis 2030 soll sich die Solarstromproduktion in Zürich auf 120 Gigawattstunden vervierfachen.
Der VESE hat auf seiner Webseite eine interaktive Karte aufgeschaltet, mit den Vergütungstarifen aller Gemeinden in der Schweiz. Zusätzlich kann man sich den Tarifvergleich der 30 grössten Stromversorgerinnen der Schweiz ansehen.
Christa Dettwiler