Raum für Vorstellungskraft

Foto: J. Balla Photography auf Unsplash
Foto: J. Balla Photography auf Unsplash

Wie war das schon wieder mit dem Jahreswechsel? Er soll die Zeit der Besinnung sein. Schönes Wort, Be-Sinnen. In diesen struben Zeiten, in denen ein von blossem Auge unsichtbarer Erreger nicht nur Gemüter erregt, sondern das allgemeine Zusammenleben, die Arbeitswelt und die Freizeitgestaltung beherrscht, ist das Be-Sinnen besonders anspruchsvoll. Das eilig mutierende Virus ist nicht zuletzt auch klimarelevant – es schädigt das soziale Klima und verdrängt die dringliche Klimadebatte aus den Schlagzeilen.

Die Energiestrategie 2050 detailliert den schrittweisen Umbau des Energiesystems auf erneuerbare Quellen. Das geltende Energiegesetz gibt Richtwerte für 2020 und 2035 vor. Die jetzt publizierte Analyse zeigt auf, wie die Ziele für 2020 erreicht worden sind. 4 712 Gigawattstunden wurden aus erneuerbaren Quellen (ohne Wasserkraft) produziert. Das entspricht 7,2 Prozent der Netto-Stromproduktion. Damit übertrifft die Schweiz den gesetzten Richtwert von 4 400 Gigawattstunden geringfügig.

 

Am stärksten zugelegt hat die Solarkraft. Lange hinkte die Schweiz iEs gibt eine weitere Parallele zwischen Virus und Klima: Verzicht. Beide weltumspannenden Themen sind stark mit dem Begriff behaftet. Und Verzichten ist nicht eben eine menschliche Stärke. Verzichten führt zu Unmut, zu Groll darüber, nicht einfach tun und haben zu können, was einem gerade einfällt. Sich nicht das gönnen zu dürfen, was einem zusteht, nachdem man sich die ganze Woche über abgerackert hat, um das Restleben zu finanzieren. 

 

Jetzt sollen wir also nicht nur aufs Fliegen und Autofahren, auf Fleisch und Avocados aus Peru, auf Billigklamotten und Heizen mit Öl verzichten, sondern auch auf Feiern mit Familie und Freunden, auf Nächte in Clubs und Après-Ski-Hütten, aufs kollektive Sporttreiben oder betriebliche Weihnachtsessen.

 

Folgt jetzt, auf Jahrzehnte des hemmungslosen immer Mehrs, der grosse Kater? Schön wär’s. So ein waschechter Kater hat nämlich durchaus heilsame Wirkung. Man erwacht aus dem Rausch, reibt sich die schmerzenden Augen und fragt sich: Warum, zum Teufel, habe ich mir das bloss angetan? 

 

Im neuen Jahr jährt sich der Bericht des «Club of Rome» zum 50. Mal. Der Report zur Lage der Menschheit trägt den ominösen Titel «Die Grenzen des Wachstums». Die zentrale Schlussfolgerung war nicht weniger ominös: «Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.»

 

Um den Kollaps zu verhindern, seien «ganz neue Vorgehensweisen erforderlich, um die Menschheit auf Ziele auszurichten, die anstelle weiteren Wachstums auf Gleichgewichtszustände führen». Dann folgt der entscheidende Satz: «Sie erfordern ein aussergewöhnliches Mass von Verständnis, Vorstellungskraft und politischem und moralischem Mut.»

 

Die Hälfte der Zeit, die der Club of Rome der Welt zum Umdenken zugemessen hat, ist verstrichen. Neue Vorgehensweisen sind ansatzweise eingeführt, das allgemeine Bewusstsein hat sich graduell verändert, das wissenschaftliche Verständnis der Zusammenhänge ist überproportional gewachsen. An was es aber nach wie vor mangelt, ist die Vorstellungskraft. Und hier können wir wieder den Bogen schlagen zum Verzicht. 

 

Wer sich zum Verzicht genötigt fühlt, entwickelt keine Vorstellungskraft mehr. Anstelle von Ruhe, freiem Raum, Grünflächen und guter Luft in verkehrsfreien Städten ärgert man sich darüber, nicht mit dem SUV ins Zentrum fahren zu dürfen. Statt Freude zu empfinden, dass mit Ressourcen schonend, mit der Mitwelt rücksichtsvoll umgegangen wird, dass dem Sein mehr Wert beigemessen wird als dem Haben, trauert man um die zahllosen kleinen und grossen Bedürfnisse, die nicht sofort befriedigt werden können.

 

Die Vorstellungskraft stirbt dabei einen leisen Tod. Dabei brauchen wir sie heute noch mehr als vor 50 Jahren. Die Vorstellung nämlich, wie wir uns auf unserem einzigartigen Planeten so einrichten, dass sich alles Leben entsprechend seiner Art und seinen Bedürfnissen zu voller Blüte entfalten kann.

 

Wir von Solarspar wünschen Ihnen von Herzen einen zuversichtlichen Start ins neue Jahr. Lassen Sie Ihrer Vorstellungskraft den Raum, den sie braucht, um Grossartiges zu bewirken.

 

Christa Dettwiler