Der COP26-Präsident kämpft bei der Abschlusserklärung mit den Tränen. Simonetta Sommaruga sagt: Ziel nicht erreicht. Ernst Ulrich von Weizsäcker lamentiert: «Nicht die Politiker, die Menschen verhindern den Wandel.» Wie war das nun am Klimagipfel? Waren das Politiker oder waren das Menschen? Klar ist, nur wenn die breite Bevölkerung auf strengere Richtlinien drängt und Massnahmen mitträgt, wird’s was mit dem Klimaschutz.
Die Leute einbinden, heisst die Beschwörungsformel, die auch Bundesrätin Sommaruga nach dem CO2-Gesetz-Debakel verwendet. Wie sie das bewerkstelligen will, bleibt im Vagen. Dass eine direkte Beteiligung von Bürgerinnen etwa an erneuerbaren Energieprojekten entscheidend ist, zeigt eine neue Studie der Schweizerischen Energie-Stiftung SES.
Der Verfasser hat sich in Europa umgeschaut und daraus Vorschläge abgeleitet, wie die Energiewende dank Verankerung an der Basis gelingen kann. Studienautor Benjamin Schmid ist überzeugt: «Beteiligungsmöglichkeiten können die Akzeptanz der Energiewende insgesamt erhöhen, zusätzliches Kapital zur Finanzierung von neuen Anlagen generieren und die demokratische Mitbestimmung in der Energieversorgung verbessern.»
Als zentrales Hindernis für eine schnelle Wende macht die Studie die nach wie vor fehlende Planungs- und Investitionssicherheit aus. Der Lösungsvorschlag: Ein schweizweit einheitlicher und langfristig garantierter Rückliefertarif für eingespeisten Strom aus kleinen und mittelgrossen Solarkraftwerken. Tatsächlich ist die Preisgestaltung so föderalistisch wie die Energieversorgung der Schweiz durch über 900 verschiedene Anbieter. Vielleicht macht ja das zunehmend komplizierte und teure internationale Stromgeschäft den Entscheidungsträgern jetzt Feuer unter dem Hintern.
Benjamin Schmid rät als Zweites, das Modell «Zusammenschlüsse für den Eigenverbrauch» zu erweitern. Bislang ist Eigenverbrauch nur am Ort der Produktion, höchstens noch über die Grundstücksgrenze hinaus zu direkten Nachbarn, möglich. Die Erweiterung auf das gesamte lokale Verteilnetz würde dazu führen, verfügbare Flächen besser zu nutzen.
Und schliesslich soll die Schweiz es Dänemark gleichtun und Anwohnerinnen sowie Standortgemeinden die Möglichkeit geben, sich mit einem bestimmten Prozentsatz am Eigentum neuer Anlagen zu beteiligen. Das würde etwa die Akzeptanz bei Windkraftprojekten verbessern.
Solarspar weiss, wie wesentlich die direkte Beteiligung von interessierten Menschen an erneuerbaren Energieprojekten ist. Ohne sie gäbe es den Verein nämlich gar nicht. Rückblickend ist es schier unfassbar, dass ein Nobody mit guten Ideen und Absichten heute mehr als 100 Solaranlagen in der ganzen Schweiz gebaut hat. Nur weil zu Beginn ganz gewöhnliche Leute bereit waren, einen Teil ihres Vermögens ohne Garantie auf Gewinn in Solarprojekte zu stecken, steht der Verein heute mit zwei starken Beinen im Geschäft und trägt entscheidend zur nationalen Energiewende bei. Auch die Idee, ganze Gemeinden mit ihren Einwohnerinnen zur lokalen Energiewende zu bewegen, fiel auf fruchtbaren Boden.
Übrigens ist eben ein Projekt mit dem Schweizer Solarpreis 2021 ausgezeichnet worden, das diese Erfahrungen bestätigt: Auf der Eissporthalle Comptoir de Tramelan wurde das alte, mit Asbest bedeckte Dach durch ein Sonnenkraftwerk ersetzt, das die Gemeinde vor allem dank Mitfinanzierung der Bevölkerung verwirklichen konnte.
Wir können also mit der Erfahrung von 30 Jahren im Solargeschäft klar feststellen, dass nicht Weizsäckers «Menschen» den Wandel verhindern, sondern die fehlenden Möglichkeiten, sich daran direkt zu beteiligen. Das sollten auch die Politikerinnen beherzigen, die noch dieses Jahr die Beratung des Energiegesetzes aufnehmen.
Christa Dettwiler