Die Welt wird dunkler. Nein, das ist kein subjektiver Eindruck. Es wird tatsächlich finsterer auf dem Planeten Erde. Weil die hellen Wolken weniger werden, reflektiert die Erde heute ungefähr ein halbes Watt weniger pro Quadratmeter als noch vor 20 Jahren. Für die Klimaerwärmung ist das keine gute Nachricht. Und so richtig düster sieht es klimamässig für die heute geborenen Kinder aus.
Die Fachzeitschrift «Science» hat Ende September die Zukunftsperspektiven der Mädchen und Buben ausgeleuchtet, die in eine Zeit hineingeboren werden, die für den Klimawandel grösste Bedeutung hat. Ihre Aussichten sind alles andere als rosig. Sie werden in ihrer Lebenszeit rund doppelt so viele Waldbrände erleben, mit dreimal so vielen Überschwemmungen und Ernteausfällen zu kämpfen haben und unter siebenmal so vielen Hitzewellen leiden.
Das alles erwartet sie, auch wenn es der Weltgemeinschaft gelingt, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen. Den Berechnungen der Wissenschaftlerinnen zufolge erlebte ein 1960 Geborener im Schnitt zwei bis sechs Hitzewellen im Laufe seines Lebens. Eine im Jahr 2020 Geborene muss mit 10 bis 26 solcher Extremwetterlagen rechnen. Machen die Regierungen jedoch mit ihren Klimastrategien so weiter wie bisher, schnellen diese Zahlen auf 21 bis 39 hoch. In anderen Worten: Hitzewellen würden zum neuen Normal.
Hauptautor Wim Thiery von der Freien Universität Brüssel macht sich da keine Illusionen. Menschen, die heute jünger sind als 40, würden «ein bisher nie dagewesenes Leben» führen. Das gilt ganz besonders für die Jungen und Jüngsten im Nahen Osten und in Nordafrika. Aber auch Europa kommt nicht ungeschoren davon. Rund viermal mehr Extremwetterereignisse warten auf die neuen Generationen.
Wir haben heuer einen kleinen Vorgeschmack auf das erhalten, was uns erwartet: Riesige Waldgebiete in Flammen, weggeschwemmte Häuser und Strassen, unerträgliche Hitzetage... Solche Katastrophen machen nicht nur den Betroffenen das Leben zur Hölle, sie kosten auch extrem viel Geld. Vielleicht ergibt sich ja daraus ein Anreiz, endlich, endlich die Zügel anzuziehen. Denn heute ist es ja so, dass sich alles, insbesondere die «Umwelt» ökonomischen Rahmenbedingungen unterzuordnen hat. Erst wenn der Klimawandel die gängige Wirtschaftsordnung ernsthaft bedroht, wird sich wohl etwas ändern.
Schon erstaunlich, dass wir einfach nicht wahrhaben wollen, dass es nur ein übergeordnetes System auf diesem Planeten gibt: Die Biosphäre. Ohne eine gesunde Umwelt, sind wir alle erledigt. So einfach ist das. Alles, was Menschen sich ausdenken, funktioniert nur, wenn die Biosphäre soweit intakt ist, dass sich Leben in ihr entfalten kann. Dennoch spielt diese simple Tatsache weder in der Politik noch in der Wirtschaft die Hauptrolle. «Die gegenwärtige Ökonomie erweist sich in dieser Perspektive als maximal falsch konstruiert: Sie überzieht bei weitem die ökologischen Grenzen und stellt dabei noch nicht einmal eine Sicherung der elementaren sozialen Fundamente für das Gros der Weltbevölkerung bereit.»
Das schreibt Fabian Scheidler in seinem neuen Buch*. Er fächert darin auf, wie die ökologische Krise und das Klimachaos die Zukunft der Menschheit bedrohen. Wesentlich dabei sei das technokratische Weltbild, das die Natur zu einer beherrschbaren Ressource in der Hand des Menschen degradiert habe. Diese Haltung bezeichnet der Autor als «tödlichen Irrtum».
Wenn wir nicht schleunigst aus diesem Traum von unendlichem Wachstum aufwachen und unsere Prioritäten an Tatsachen statt Illusionen ausrichten, wird es in absehbarer Zukunft noch sehr viel finsterer auf dem Planeten Erde.
Christa Dettwiler
*«Der Stoff, aus dem wir sind – Warum wir Natur und Gesellschaft neu denken müssen». Fabian Scheidler, Piper-Verlag, 2021.