Was nichts kostet, ist …

Bild: Hello I'm Nick auf Unsplash
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Gelangweilte Milliardäre lassen sich ins All schiessen. Oder wie das deutsche Magazin  Spiegel so schön titelte «Schweine im Weltall». In Deutschland hungert sich eine Handvoll Jugendliche schier zu Tode, um sich bei den Kandidierenden ums Kanzleramt klimatechnisch Gehör zu verschaffen. Auf nächstes Wochenende ist ein globaler Klimastreik angesagt. Und Bundesrätin Simonetta Sommaruga möchte Menschen zu klimafreundlicherem Handeln anregen und meint «so kommen wir weiter».

Tja. Der kleine Milliardärs-Trip ins All mit vier Passagieren hat ungefähr so viel CO2 verursacht wie rund 100 Transatlantikflüge von Zürich nach New York. Es ist nicht anzunehmen, dass Frau Sommaruga mit den Leuten vorher telefoniert und eine Anregung abgegeben hat. Waren ja auch Amerikaner. Wie genau ihre Anregungen für die hiesige  Bevölkerung aussehen, ist noch unklar. 

 

Klar ist, dass sich insbesondere Junge, die das ausbaden müssen, was die älteren Semester mit der Verwegenheit der Ahnungslosen angerichtet haben, ziemlich krasse Sorgen machen. Eine internationale Studie* mit 10 000 Teilnehmenden zwischen 16 und 25 Jahren aus zehn Ländern zeigt, wie gross die Angst ist. 60 Prozent äussern Zukunftsängste, 56 Prozent glauben, die Menschheit sei «dem Untergang geweiht». 

 

Eine der Studienautorinnen, Caroline Hickman, sagte gegenüber der BBC: «Die Angst hat nicht nur mit der Umweltzerstörung allein zu tun, sondern auch mit der Politik der Regierungen.» Insbesondere mit deren Untätigkeit. Die hungernden Jugendlichen in Deutschland wollen einzig ein direktes Gespräch mit jenen drei Personen, die sich um die Nachfolge von Kanzlerin Angela Merkel bewerben. Auffallend in diesem Wahlkampf ist nicht nur die eklatante Langeweile, auch das grossflächige Ausblenden der Klimakrise sticht ins Auge.

 

Deutschland ist dabei nicht allein. Frau Sommarugas Aussagen zum Thema kommen einer Bankrotterklärung gleich. Die Vorzeichen für den wichtigsten Klimagipfel seit sechs Jahren sind ernüchternd. Im November treffen sich die Staaten in Glasgow, um ein neues Weltklimaabkommen zu vereinbaren. Von Schwung, Dynamik, vielversprechenden Ankündigungen ist weit und breit nichts festzustellen. Fest steht einzig, dass die bisher erreichten Zwischenziele bis 2030 meilenweit verfehlt werden.

 

Ein letzte Woche veröffentlichter Uno-Bericht stellt fest, dass die globalen Treibhausgasemissionen 2030 sogar um 16 Prozent höher sein könnten als im Vergleichsjahr 2010. Um das vielbeschworene 1,5 Grad Ziel zu erreichen, müssten sie jedoch um 45 Prozent geringer ausfallen.

 

Während wir also global gemütlich in eine stets massivere Klimakrise schippern, kämpft eine Mehrheit der befragten Jugendlichen mit massiven Zukunftsängsten. 45 Prozent gaben sogar an, ihre Sorgen vor dem Klimawandel beeinträchtigten ihr tägliches Leben. Ein Bericht der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung, der letzte Woche veröffentlicht wurde, schätzt, dass rund 140 Millionen Menschen seit der Corona-Pandemie unter Extremwetter gelitten haben. Vor über zehn Jahren hatten die Industrieländer versprochen, den armen Ländern mindestens 100 Milliarden Euro pro Jahr zu zahlen, um das Klima zu schützen oder sich zumindest an den Wandel anzupassen. Das Versprechen ist ein Versprechen geblieben.

 

Klimaschutz darf nichts kosten, der Klimawandel dagegen schon. Allein die deutsche Versicherungsbranche rechnet damit, dass die Unwetterschäden von diesem Sommer gegen 12 Milliarden Euro kosten werden. Vielleicht sollten wir den Bundesrat an ein Zitat erinnern, das Albert Einstein zugeschrieben wird: Was nichts kostet, ist nichts wert.

Christa Dettwiler 

 

* Die Studie wurde von der Nichtregierungsorganisation Avaaz durchgeführt und soll im Fachblatt «Lancet Planetary Health» erscheinen.