Nun ist er da, der neue Klimabericht des Weltklimarates IPCC. Er ist als «summary für policymakers» gedacht, als Zusammenfassung und Entscheidungsgrundlage für Politik und Wirtschaft. 700 Forschende aus 65 Staaten haben sich beteiligt. 14 000 verschiedene Publikationen und 78 000 Gastkommentare sind in den Bericht eingeflossen. Und wozu? Um das zu bestätigen, was alle schon wissen, sehen, spüren?
Auch dieser neue Klimabericht wird die Fronten nicht aufweichen können, wird nicht mutiges Handeln bewirken, wird keine Politikerin, die ihre Wiederwahl im Kopf hat, umstimmen, keinen Wirtschaftsführer, der die Dividende für Aktionäre im Kopf hat, zu zukunftsträchtigen Entscheidungen bewegen. Er sagt uns das, was wir seit Jahrzehnten schon wissen. Der Klimawandel ist real. Und er wirkt sich mit jedem Jahr verheerender aus.
Auch mit dem neuen Klimabericht in Händen, werden wir weiterhin gemütlich Richtung Bahnsteig schlendern, obwohl der Zug längst abgefahren ist. Wir holen uns einen Kaffee – ein Gipfeli liegt auch noch drin –, betrachten ausgiebig die Auswahl an Zeitungen im Kiosk, lüpfen den Rollkoffer langsam die Treppe hoch und klagen schliesslich lauthals über die verdammte Bahn, die am Horizont entschwindet. Der Fahrplan, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken, ist längst Makulatur. Er stammt schliesslich aus dem Jahr 2015.
Der Zug ist abgefahren, weil wir es nicht schaffen, selbst die einfachsten Klimaschutzmassnahmen umzusetzen. Zum Beispiel, anständige Einspeisetarife für Solarstrom durchzusetzen. Ja gut, es ist ein Thema, das wir schon etliche Male angesprochen haben. Doch es illustriert perfekt, wie selbst einfache und einleuchtende Schritte nicht unternommen werden. Die Einspeisetarife für Produzentinnen von Solarstrom sind von Kanton zu Kanton, von Energieversorger zu Energieversorger verschieden. Dazu schwanken sie auch noch. D.h. wer auf Sonnenenergie setzt, weiss nicht, ob und wann sich eine PV-Anlage überhaupt amortisieren lässt. Dass diese Aussicht nicht gerade zu Investitionen anregt, liegt auf der Hand.
Hier setzt jetzt auch der Verband unabhängiger Energieerzeuger VESE den Hebel an. Die Fachgruppe der Schweizerischen Vereinigung für Sonnenenergie hat einen Werkzeugkasten entwickelt, der Arbeitshilfen für politisch Aktive und Interessierte enthält. Damit sollen sie auf Gemeinde- und Kantonsebene höhere und stabile Rückliefertarife für Solarstrom zimmern. Neben Gemeinderätinnen und Kantonsparlamentariern kann jede und jeder diesen Werkzeugkasten in die Hand nehmen, um jene mit einem politischen Amt zu einem Vorstoss zu motivieren oder um selbst ein paar Nägel einzuschlagen. Im Kasten des VESE finden sich die notwendigen Werkzeuge: Eine Sammlung von Mustervorstössen und Medienmitteilungen, mit Argumentarium und Informationsbroschüre.
Der Fachverband zählt also auf Druck von unten, wenn «die da oben» weiterhin dem abgefahrenen Zug nachschauen. Immerhin gehört ein Grossteil der Energieversorger in der Schweiz teilweise der öffentlichen Hand. Das heisst, die Politik hat ein Mitspracherecht bei der Gestaltung der Geschäftstätigkeit. Gemeinde- und Kantonspolitikerinnen aber auch Gemeindeversammlungen können also durchaus einen Hammer schwingen und Nägel mit Köpfen machen.
Christa Dettwiler