Und jetzt?

Klimakatastrophe
Bild: Klimaallianz

Die Analysen sind gemacht, die Schuldigen benannt: zu kompliziert, zu teuer, zum falschen Zeitpunkt. Die Jungen, die vom Land, die Bürgerlichen. Noch reibt man sich die Augen, ob des Abstimmungsresultats. CO2-Gesetz? Versenkt. Einigkeit herrscht nur in einem Punkt: Das Nein zum Gesetz bedeute kein Nein zum Klimaschutz. Irgendwie ist diese Schlussfolgerung schwer nachzuvollziehen. Heisst das, Ja zum Klimaschutz, solange er mich nichts kostet und in keiner Weise einschränkt?

Nein, denn wir wissen, dass jetzt einfach nichts tun schlicht unmöglich ist. Jetzt muss die Schweiz alles daran setzen, die Verpflichtungen des Pariser Klimaabkommens (minus 50 Prozent bis 2030) auch ohne CO2-Gesetz zu erfüllen. Gelegenheit dazu bieten etwa die Gletscherinitiative sowie die Revision des Energiegesetzes, die möglicherweise gleich mit dem revidierten Stromversorgungsgesetz gekoppelt wird. Bei letzterem geht’s vor allem um die Öffnung des Strommarktes für alle. Bislang war es ja nur Grossabnehmern vorbehalten, ihren Stromanbieter frei zu wählen. Beim Energiebesetz steht der zügige Ausbau der Photovoltaik im Mittelpunkt.

 

Die Gletscherinitiative wiederum verlangt Netto Null bis 2050. Dasselbe Ziel verfolgt der Bundesrat. Allerdings will die Initiative fossile Energieträger verbieten, was dem Bundesrat jedoch zu weit geht. Er wird einen Gegenvorschlag formulieren. Im Gespräch ist auch eine Neuauflage des CO2-Gesetzes, das verschlankt werden soll. Höhere Spritpreise und eine Flugticketabgabe, eigentlich alles, was ans Portemonnaie geht, werden auch ein zweites Mal schlechte Karten haben.

 

Am Tag, als die Schweiz das CO2-Gesetz versenkten, sagte US-Präsident, der Klimawandel sei das «existentielle Problem der Menschheit». Auch einer der weltweit renommiertesten Klimaforscher, der Berner Reto Knutti, Professor für Klimaphysik an der ETH Zürich, machte sich im Nachgang zur Abstimmung ein paar Gedanken, die wir Ihnen nicht vorenthalten wollen. In einem ausführlichen Interview mit dem «Blick» äusserte er sich etwa zur Bedeutung des Neins:

«Wenn eines der reichsten Länder mit den meisten technologischen Möglichkeiten sagt, wir können das nicht oder wollen das nicht, wird es schwierig, andere davon zu überzeugen, sie sollen das machen. Aber das Klimaproblem wird nicht verschwinden. Es gibt keine Impfung.»

 

Zum Einfluss der Wissenschaft:

«Aus Fakten folgen nicht zwingend politische Handlungen. Entweder ist die Dringlichkeit noch nicht angekommen oder – das halte ich für die wahrscheinlichere Variante – man hat es eigentlich verstanden, aber man ist ein bisschen zu faul oder zu egoistisch, um etwas zu machen.» 

 

Zum Wie Weiter:

«Die Hälfte unseres Treibhausgas-Ausstosses geht auf Strassen- und Flugverkehr zurück, wo bis jetzt praktisch nicht gelenkt wurde. Ich glaube nicht, dass man das allein mit Eigenverantwortung und Innovation lösen kann. Gerade im Flugverkehr braucht es Massnahmen, an denen sich alle beteiligen müssen. Wie das passieren soll – da ist das Parlament gefordert.»

 

Zum Thema Kosten:

«Das war sicher das dominante Argument. Was eigentlich seltsam ist: Denn für viele hätte es sich ja sogar gelohnt. Die Kosten sind zudem ein kleiner Betrag im Vergleich zu dem, was uns der Klimawandel kosten wird. Der Status Quo kostet uns pro Kopf viele tausend Franken pro Jahr, nicht nur ein paar hundert. Einfach durch den Schaden, den er verursacht. Und durch die Kosten für Öl und Benzin, die wir aus dubiosen Ländern importieren. Es wäre günstiger, ein ambitioniertes Ziel zu wählen und das Problem zu lösen, als zu warten, bis es schief geht und dann aufzuräumen. Aber diese Botschaft war wohl nicht so einfach zu transportieren, das ist uns misslungen.»

 

Irgendwie ist der Mensch nicht dazu gemacht, etwas weiter in die Zukunft zu denken. Auch nicht dazu, auf kurzfristigen Nutzen zugunsten langfristigen Wohlergehens zu verzichten. Kommt dazu, dass viele denken: Was kann die kleine Schweiz schon ausrichten? Wie Reto Knutti sagte: Wie sollen andere Staaten, die über weit weniger Wohlstand und technologische Möglichkeiten verfügen, von der Dringlichkeit des Klimaschutzes überzeugt werden, wenn die reiche Schweiz ihn schon nicht für nötig hält? Wir täten gut daran, mutig voranzugehen, ganz nach dem Solarspar-Motto: Zeigen, dass es geht.

Christa Dettwiler