Eigentlich sollten wir schon seit zwei Wochen im Dunkeln sitzen. Und frieren. An Wurzeln knabbern. Nicht fernsehen. Keine Blogs schreiben. Denn seit zwei Wochen, seit dem 5. April ganz genau, haben wir bereits die gesamte, in der Schweiz produzierte Energie aufgebraucht. Für den Rest des Jahres sind wir auf Energieimporte aus dem Ausland angewiesen. Der «Energie-Unabhängigkeitstag» macht deutlich, wie auslandsabhängig die Schweiz ist, wenn es um die Energieversorgung geht.
Im europäischen Vergleich stehen wir schlecht da. Nur gut ein Viertel unserer Energie wird im Inland produziert. Das bringt uns auf Platz 19 von 25 untersuchten europäischen Ländern.
Vor einer Woche gab das Bundesamt für Umwelt (Bafu) bekannt, dass die Schweiz das Klimaziel für 2020 verpasst hat. Anstatt um die angepeilten 20 Prozent ging der CO2-Ausstoss um nur gerade 14 Prozent gegenüber 1990 zurück. Vorallem beim Verkehr sieht es schlecht aus. Dort ging der Beitrag zur CO2-Belastung nicht nur nicht um die budgetierten zehn Prozent zurück, er stieg sogar um ein Prozent. Das lag nicht etwa an den Fahrzeugen selbst, die pro gefahrenem Kilometer wohl weniger Schadstoffe ausstossen, doch sei halt einfach viel mehr gefahren worden. Auch Herr und Frau Schweizers Lust auf Flugreisen hat zu diesem doch erschreckenden Ergebnis beigetragen.
Ebenso wenig brilliert der Gebäudesektor. Von den angepeilten minus 40 Prozent gegenüber 1990 wurden minus 34 erreicht. Hier muss der kalte Winter als Schuldiger herhalten. Allerdings, schreibt das Bafu, liege das auch daran, dass in der Schweiz überdurchschnittlich mit fossilen Brennstoffen geheizt werde.
Weder Landwirtschaft noch Industrie können sich aufs hohe Ross setzen. Wobei die Industrie mit minus 14 Prozent das vorgegebene Ziel von 15 Prozent um nur gerade ein Prozent verfehlte, die Landwirtschaft um drei Prozent.
Diese ernüchternden Fakten haben die Organisation «Klimastreik Schweiz» zu folgendem Kommentar bewogen: Mit diesem Tempo erreiche die Schweiz das Ziel von Netto-Null-Treibhausgasemissionen in 154 Jahren.
Und damit wären wir wieder beim 5. April. Der Grossteil der aus dem Ausland importierten Energie ist fossiler Art. Öl und Gas heizen nach wie vor viel zu viele Schweizer Stuben und treiben viel zu viele verbrauchsintensive Fahrzeuge an. Um das zu bezahlen, fliessen Jahr für Jahr etliche Milliarden Franken ins Ausland. Milliarden, die einer modernen einheimischen Energieproduktion gewaltigen Schub verleihen würden.
Angesichts der dramatischen Folgen der Klimaerwärmung ist es zum Haare raufen, dass die Senkung der Treibhausgasemissionen so langsam, zäh und zögerlich angegangen wird. Dass die SVP das neue CO2-Gesetz, das mit Lenkungsabgaben den Verbrauch von fossilen Energieträgern eindämmen will, mit allen Mitteln bekämpft, ist unfassbar. Nationalrat Christian Imark, der für die SVP den Abstimmungskampf leitet und die Schweiz mit Parolen wie «Autofahren nur noch für die Reichen» beschenkt, sieht seine Partei als Winkelried für die armen Autofahrerinnen und ölheizenden Senioren. «Die SVP muss wieder einmal die Kohlen aus dem Feuer holen.»
Die SVP ist doch jene Partei mit dem «Sünneli», der Schweizer Fahne und «Schweizer Qualität» im Logo. Anstatt sich die Finger an ausländischer Kohle zu verbrennen, könnten sie doch einfach mithelfen, die Sonne am Himmel zu nutzen und das Heimatland reichlich mit treibhausgasfreier Energie zu versorgen. Damit wären gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Der Energie-Unabhängigkeitstag würde um Monate hinausgeschoben, die Milliarden für fossile Brennstoffe blieben im Inland, förderten Innovation, sorgten für Arbeitsplätze und würden erst noch ein ausgeglicheneres Klima schaffen. Aber das ist wohl viel zu vernünftig und bringt keine dicken Schlagzeilen.
Christa Dettwiler