Von Tatsachen und Meinungen. CO2-Gesetz in Zahlen.

Zitat: Frank Schätzing
Zitat: Frank Schätzing

Line Nagell Ylvisåker lebt auf Spitzbergen im hohen Norden Norwegens. Sie sagt: «Touristen zahlen viel Geld, um Gletscher schmelzen zu sehen.» Der Automobil Club der Schweiz sagt: «Das neue CO2-Gesetz kostet viel und bringt nichts.» Jeanette Nötzli vom WSL-Institut für Schnee und Lawinenforschung sagt: «Nach mehr als 20 Jahren Messungen gibt es einen deutlichen generellen Trend.» Und meint damit, dass der Permafrost in den Schweizer Alpen immer schneller auftaut. Die SVP sagt: «Das CO2-Gesetz wird die Allgemeinheit und die Wirtschaft in den kommenden Jahren 30 bis 40 Milliarden Franken kosten. Für eine vierköpfige Familie macht das pro Jahr eine Zusatzbelastung von mindestens 1 500 Franken.» FDP-Präsidentin Petra Gössi sagt: «Jene, die wenig CO2-Belastung verursachen, haben am Ende mehr Geld im Portemonnaie als vorher.»

Im Aufgalopp zur Abstimmung am 13. Juni wird viel herumgeboten. Die eine sagt dies, der andere was anderes, und jene, die nichts sagen, müssen sich zwischen den Fronten eine Meinung bilden. Wer hat recht? Was sind Fakten, was Meinungen,  was aus der Luft gegriffene Behauptungen? Wenn es um schmelzende Gletscher und tauenden Permafrost geht, ist die Sachlage einfach. Das kann man messen. Wenn es um die Kosten des neuen CO2-Gesetzes geht, wird es schon wesentlich komplizierter. Auf der einen Seite werden Heizöl, Benzin und Fliegen teurer, dazu kommen neue Regelungen und Vorgaben, die auch etwas kosten. Allerdings sind ein Grossteil der Zusatzkosten sogenannte Lenkungsabgaben, die wieder an die Bevölkerung zurückverteilt werden. 

 

Viele Beobachterinnen sind der Meinung, die Abstimmung zum CO2-Gesetz werde übers Portemonnaie entschieden. So auch der Politgeograf Michael Hermann. Gegenüber dem SonntagsBlick sagte er: «Wer die Deutungshoheit über die Kosten erlangt, hat gute Karten, die Abstimmung zu gewinnen.» Daher sind verlässliche Rechnungen wichtig. Fakt ist, dass die geplanten Lenkungsabgaben teils in einen Klimafonds fliessen, um etwa jenen Berggebieten, die unter tauendem Permafrost leiden, unter die Arme zu greifen, teils an die Bevölkerung rückverteilt werden.

 

Die Jungen Grünliberalen haben einen Schritt Richtung mehr Klarheit unternommen. Sie haben einen CO2-Rechner aufgeschaltet, mit dem alle Interessierten ihre eigene Rechnung aufmachen und herausfinden können, wie stark das Gesetz ihr Portemonnaie belastet oder ob sie allenfalls davon profitieren werden. Es ist ein simples Tool, nur ein paar Fragen zu Mobilität und Heizung, und schon sieht man, ob’s Geld gibt oder kostet.

 

Wer wenig fliegt und mehr ÖV und Fahrrad als Benziner nutzt, profitiert in jedem Fall. Es wird schnell ersichtlich, dass klimaverträgliches Verhalten belohnt wird. Das immerhin ist ja der Sinn von Lenkungsabgaben. Allein schon der Verzicht aufs Fliegen garantiert ein positives Resultat. JGLP-Präsident Tobias Vögeli sagt: «Der Rechner zeigt, dass die Kostenschätzungen der Gegner einem Faktencheck nicht standhalten.» Zudem halte der Rechner einer Überprüfung stand, er sei schliesslich von mehreren unabhängigen Stellen, etwa von der Uni Zürich, getestet worden. Ausserdem wäre es für die Jungpartei äusserst blamabel, «wenn sich der Rechner mitten im Abstimmungskampf plötzlich als falsch herausstellen würde.»

 

Tatsächlich leistet die JGLP mit diesem Rechner einen Beitrag an eine sachlichere Debatte. Wobei: Auch Sachlichkeit hat ihre Grenzen. Irgendwie möchte man all jenen, die über zusätzliche Kosten für die Eindämmung des Klimawandels stänkern, mit dem Bestseller-Autor Frank Schätzing (sein Sachbuch über die Klimakrise ist eben erschienen) zurufen: «Wenn ich einen Planeten retten muss, ist mir scheissegal, wie viel das kostet.»

Christa Dettwiler