Nun streikt sie wieder – die klimabewegte Jugend. Corona-konform mit Abstand und im Schichtwechsel. Unter dem Motto «keine leeren Versprechungen mehr» fanden am letzten Freitag in 50 Ländern 1 000 Aktionen statt. Die mediale Aufmerksam für die Klimajugend tendiert gegen null. Die Schweizer Schlagzeilen beherrschte eine andere Demo, jene im Baselbieter Städtchen Liestal gegen die Corona-Massnahmen des Bundes. Das überrascht nicht, aber es irritiert allemal.
Dabei gäbe es mehr als genug gute Gründe, dem globalen Klima allererste Priorität einzuräumen. Es würde allen Medien gut anstehen, nicht nur Corona-Statistiken und -Ticker zu publizieren, sondern auch Klimadaten mindestens so viel Raum und Aufmerksamkeit zu geben. Denn die Daten sind mindestens so erschreckend:
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) etwa veröffentlichte Anfang März seine neusten Analysen. Nur gerade der SPIEGEL berichtete einigermassen ausführlich darüber, obwohl das Fazit, das der DWD aus seinen erhobenen Daten zog, ernüchternd ist. Überraschend ist es allerdings nicht: Die aktuellen Bemühungen, die Klimaerwärmung zu stoppen, reichen nicht aus. Sie reichen nicht einmal aus, um die gesteckten Ziele zu erreichen. DWD-Präsident Gerhard Adrian: «Der Anstieg der Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre geht ungebremst weiter, damit werden wir die im Pariser Klimaabkommen vereinbarte Temperaturerhöhung von deutlich unter zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau bis zum Jahr 2100 nicht erreichen. Leider sieht es im Moment sogar nach einem Plus von drei bis vier Grad aus.»
Nun ist es so eine Sache mit Prognosen, der Deutsche Wetterdienst unterfüttert die präsidialen Aussagen jedoch mit Fakten.
- Jahr 2020 war das zweitwärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen weltweit.
- Die Meereisfläche in der Arktis schrumpfte im September 2020 auf ihren zweitniedrigsten Wert.
- Wetterextreme nehmen weltweit zu. In gewissen Weltgegenden lag die Niederschlagsmenge um 500 Prozent über dem Mittel. 2020 wurden weltweit 96 tropische Stürme registriert. Im Nordatlantik waren es mit 30 Stürmen doppelt so viele wie üblich.
- In Deutschland waren acht Monate des Jahres 2020 zu trocken, und vier Monate zu nass. Elf der 12 Monate waren zu warm.
- Trotz Corona-Pandemie stieg die CO2-Konzentration im vergangenen Jahr weiter an.
- Seit Ende des 19. Jahrhunderts stieg die globale Mitteltemperatur weltweit um 1,1 Grad, in Deutschland um 1,6 Grad.
Alle diese Daten lassen den DWD zum Schluss kommen, dass eine Begrenzung der Klimaerwärmung auf zwei Grad bis zum Ende des Jahrhunderts eine Illusion ist.
Es ist also durchaus stimmig, dass die Fridays for Future-Bewegung ihre jüngste Aktion unter das Motto «no more empty promises» stellte. Keine leeren Versprechungen mehr. Denn versprochen wurde viel. Wir haben an dieser Stelle schon verschiedentlich über die zahllosen Klimapläne berichtet, die zwar vielversprechend klingen, aber kaum konsequent umgesetzt werden. DWD-Präsident Adrian sieht dennoch einen Hoffnungsschimmer. Obwohl die Corona-Pandemie den Klimawandel in den Hintergrund verdrängt habe, sei hervorzuheben: «Was sich in dieser Krise eindrucksvoll gezeigt hat: Entscheidungen, die auf wissenschaftlichen Fakten basieren, haben wesentlich dazu beigetragen, Schlimmeres zu verhindern.»
Wenn man die jüngsten Entwicklungen ansieht, stimmt das wohl nur kurzfristig. Nach nur einem Pandemie-Jahr lehnen sich Menschen überall gegen die Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung auf. Der Klimawandel begleitet uns schon seit Jahrzehnten, und jede griffige Massnahme wird von Partikularinteressen bekämpft und verzögert, obwohl die wissenschaftlichen Fakten ein klares Bild ergeben.
Der Klimawandel vollzieht sich schleichend, ist weniger akut als ein Virus. Seine Auswirkungen auf unser Leben, auf unser Überleben, betrifft jedoch alles, was lebt.
Christa Dettwiler