Verantwortung übernehmen ist irgendwie nicht mehr in Mode. Schliesslich gibt es ja genügend Sündenböcke: Sachzwänge, Arbeitsplätze, Wachstumsziele, Gewinnmargen… Sie sind schuld. Sie zwingen Unternehmen dazu, ab und an ein Auge zuzudrücken. Und manchmal auch zwei.
Deshalb gibt es jetzt die Konzernverantwortungsinitiative, über die wir am 29. November abstimmen. Das verursacht hohe Wellen in Politik und Wirtschaft. Wo kämen wir denn hin, tönt es aus dem ablehnenden Lager, wenn Schweizer Unternehmen Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltauflagen übernehmen müssten? Und das erst noch in Ländern, die es damit eben nicht so genau nehmen.
Werfen wir einen Blick auf eine besonders einflussreiche Branche: Anfang November hat sich der Schweizer Finanzmarkt auf Klimaverträglichkeit testen lassen. Freiwillig, notabene. 179 Finanzinstitute haben mitgemacht. Das Bundesamt für Umwelt BAFU hat den Klimaverträglichkeitstest zusammen mit dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen SIF durchgeführt.
Schweizer Finanzinstitute investieren viermal mehr Mittel in Firmen, die Strom aus fossilen Quellen wie Kohle und Gas erzeugen, als in solche, die erneuerbare Quellen nutzen. 80 Prozent der untersuchten Unternehmen halten in ihren Portfolios Firmen, die Kohle abbauen. Damit «unterstützt der Schweizer Finanzplatz im Schnitt einen zusätzlichen Ausbau der internationalen Kohle- und Erdölförderung», so das BAFU. Fazit: Es gibt Fortschritte, das Ziel wird jedoch verfehlt. Wie weit verfehlt, hat die SRF-DOK-Sendung vom 15. Oktober ausgeleuchtet.
Die Grossbanken Credit Suisse und UBS haben etwa dem Energiekonzern RWE – verantwortlich für den europaweit höchsten CO2-Ausstoss – grosszügig Kredite gewährt und Geld am Kapitalmarkt beschafft. Ward Warmerdam von der auf Finanzrecherchen spezialisierten holländischen Firma Profundo kennt die genauen Zahlen. In der DOK-Sendung sagte er: «Die Credit Suisse hat RWE rund 180 Millionen für das Kohlegeschäft finanziert und vermittelt. Bei der UBS waren es rund 92 Millionen.» Aufgrund der vorliegenden Zahlen kam Greenpeace zum Ergebnis, dass Credit Suisse und UBS zwischen 2016 und 2019 Kohle-, Öl- und Gasfirmen rund 84 Milliarden Dollar vermittelt hätten, um deren Aktivitäten zu finanzieren.
Mit diesem Geld wird nicht nur weiterhin Kohle gefördert, auch die weltweite Öl- und Gasförderung wird dank Schweizer Banken vorangetrieben. Laut Profundo flossen seit 2016 allein von der Credit Suisse rund 45 Milliarden US-Dollar an Krediten für Öl- und Gaskonzerne. Auch um das extrem umwelt- und klimaschädigende Fracking zu betreiben.
Mit Schweizer Finanzhilfe wurde 2019 allein im texanischen Permian Basin, das fünf Mal so gross wie die Schweiz ist, so viel Fracking-Gas abgefackelt, dass man damit nach Angaben der Energieberatungsfirma Rystad Energy die rund sieben Millionen Haushalte in Texas hätte heizen können. Anstatt texanische Stuben zu heizen, heizt man dem Klima ein.
Und wer übernimmt die Verantwortung dafür? Auf Nachfrage der DOK-Macherinnen, wie viele Kredite sie an Kohle- und Fracking-Unternehmen vermittelten, hiess es von Seiten der Grossbanken, das sei «Geschäftsgeheimnis».
Schauen Sie die DOK-Sendung, falls Sie sie verpasst haben. Es lohnt sich – gerade auch im Hinblick auf die kommende Abstimmung. Jede Stimmbürgerin, jeder Stimmbürger muss eine eigene Antwort finden auf die Frage: Wer trägt die Verantwortung dafür, was Konzerne in der Welt anrichten?
Christa Dettwiler