Es gibt ganz verschiedene Methoden, unumgängliche Klimaschutzmassnahmen zu verzögern oder zu diskreditieren. Eine der beliebtesten ist, Zweifel zu säen. Eine andere, treibhausgasfreien Strom dermassen zu verteuern, dass er unattraktiv wird. Solarspar-Geschäftsleiter Markus Chrétien bezeichnet die zweite Methode schlicht als «Frechheit».
Kaum tauchen die Exponentinnen der Fridays for Future Bewegung aus der Corona-bedingten Versenkung auf, kriegt die Wirtschaft die Muffe. Weil es mittlerweile als ignorant gilt, den Klimawandel glatt zu leugnen, setzen Industrie und Lobbyisten darauf Argwohn gegenüber Klimaschutzmassnahmen zu schüren.
So liess sich der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Industrie, Holger Lösch, nach dem Besuch von Greta Thunberg & Mitstreiterinnen bei der Bundeskanzlerin, in der «Rheinischen Post» vernehmen: «Die Gefahr ist gross, dass der Unterschied der klimapolitischen Ambitionen zwischen Europa und anderen Weltregionen weiter wächst. Das ist für die heimische Industrie eine immer grössere Herausforderung.»
In Klartext übersetzt heisst das vermutlich: «Wir werden zu Massnahmen gezwungen, den Klimawandel einzudämmen, während andere munter im alten Trott weitermachen. Auch wir wollen lieber mit altbewährter Technik noch ein paar Jahre lang Profit erwirtschaften.» Diese Haltung führt dann zu Paradoxen, die geradezu atemberaubend sind. So publizierte die Lobbyorganisation „Initiative neue soziale Marktwirtschaft“, eine wackere Kämpferin wider die Energiewende, «12 Fakten zur Klimapolitik».
In Fakt 4 moniert sie: «Die Hoffnung, dass eine milliardenschwere Förderung von regenerativer Energie bei der Reduktion des CO₂-Ausstosses zum Ziel führt, hat sich nicht erfüllt.» In Fakt 5 doppelt sie nach, Photovoltaik und Windenergie seien viel zu teuer. In Fakt 8 stellt sie fest: «In den vergangenen Jahren wurden die Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energien immer wieder übertroffen.» Deutschland habe schon «über ein Drittel Ökostrom-Anteil».
Zweifel säen an den Massnahmen, wenn Zweifel am Klimawandel nicht mehr opportun sind, ist ein probates Mittel, um Menschen in ihrem Nichtstun zu bestätigen. Eine andere Methode ist, saubere Energieträger künstlich zu verteuern. Zumal Sonnen- und Windenergie in den letzten Jahren nicht nur konkurrenzfähig, sondern sich in vielen Fällen als billigste Produktionsmethode für Strom geworden sind. So stellte die von 180 Ländern getragene «Internationale Agentur für erneuerbare Energien» fest: «Bei 56 % aller neu in Betrieb genommenen Grossanlagen für die regenerative Stromerzeugung lagen die Kosten für 2019 unter der günstigsten Alternative mit fossilen Brennstoffen.»
Damit die Kundin dennoch tief in die Tasche greifen muss, erhebt etwa das EW der Stadt Zürich einen Zuschlag von um die 100 Prozent auf den Strom ihres neuen Solarkraftwerks auf der Mauerkrone des Albigna-Stausees. Der Energiespezialist Hanspeter Guggenbühl hat im Online-Medium «Infosperber» Produktionskosten für eine Kilowattstunde Albigna-Strom von zwischen 7 und 9 Rappen ausgerechnet. Das EWZ bietet den Strom aus dem Bergeller «Leuchtturmprojekt» als Bürgerbeteiligungsmodell an. Für 560 Franken kann man sich an einem Quadratmeter Modulfläche beteiligen. Dafür gibt’s während 20 Jahren 180 kWh Sonnenstrom. Umgerechnet ergibt das einen Preis von 15,56 Rappen pro kWh. Übrigens: Wer dem EWZ seinen selbst produzierten Solarstrom verkauft, erhält dafür gerade einmal 7,7 Rappen – also die Hälfte.
EWZ-Sprecher Thomas Heiziner reagiert auf die Berechnungen so: «Wir lösen mit diesem Projekt keine hohe Rendite. Bei den von Ihnen berechneten Gestehungskosten, ob richtig oder falsch, müssen bis zu unserem Verkaufspreis von 15,56 Rp/kWh unter anderem noch die folgenden Positionen gedeckt werden: Betriebs-, Verwaltungs- und Vertriebskosten, Produktentwicklung sowie Produktkommunikation, Energie-Management und Energiehandel, handelsübliche Rendite inklusive Risikoprämie.»
Solarspar Geschäftsleiter Markus Chrétien hat eine klare Haltung zu dieser EWZ-Geschäftspolitik: «Die Berechnung der Gestehungskosten ist wohl in Ordnung. Im Gegensatz zum EWZ verkauft Solarspar den Solarstrom aus eigenen Anlagen tatsächlich zu den Gestehungskosten, denn darin sind bereits Kapitalkosten, Betrieb und Unterhalt inbegriffen. Ein Aufschlag von 100 % ist eine Frechheit.»
Christa Dettwiler