Das Geschäft mit dem schlechten Gewissen

Photo: Solarspar I Mirella Wepf
Photo: Solarspar I Mirella Wepf

Kompensation ist das Zauberwort. Wer dem Klima schadet, kann sich auf allerlei Arten davon freikaufen. So machte allein Myclimate letztes Jahr mit CO2-Kompensation einen Umsatz von 4,5 Millionen Franken. Trend: stark steigend. Nun steigt auch die Baselbieter Kantonalbank (BLKB) in den Kompensationsmarkt ein. Dabei ist sie auf den Boden gekommen. 

Ab nächstem Jahr zahlt die BLKB Landwirtinnen, die auf ihren Feldern Humus aufbauen, bares Geld. Damit will die Bank ihre Emissionen im Geschäftsverkehr oder für ihre Gebäude kompensieren.

 

Pro Tonne gibt’s 100 Franken. Insgesamt soll mit dieser Aktion auf 1000 Hektaren Humus aufgebaut werden, der wiederum mehr CO2 speichern kann.  In der Wochenzeitung WOZ fragt sich Bettina Dyttrich: «Aber ist das überhaupt sinnvoll?» (Lesen Sie ihren Artikel dazu.)

 

Die Frage ist mehr als berechtigt. So beruht etwa der Treibhausgas-Ablasshandel klar auf Zusätzlichkeit. Wenn es nun um Humusaufbau, um bessere Bodenfruchtbarkeit geht, könnte man eigentlich davon ausgehen, dass sie zu den Kernaufgaben, ja zum Eigeninteresse der Landwirtschaft gehören. Muss man Bauern echt dafür bezahlen, dass sie für gesunde Böden sorgen? Dass Bauern die Humusschicht auch aufbauen können, zeigt Familie Hegglin auf ihrem Biohof in Menzingen – dazu gab es im Solarspar-Magazin Nr. 1 / 2019 bereits einen Beitrag (Artikel als PDF). 

 

 

Wie wäre es, wenn die Bank von vorneherein ihre Gebäude auf Klimaverträglichkeit trimmte, anstatt sich mit dieser Aktion das Etikett «klimaneutral» zu erkaufen? Wenn sie nur noch Hypotheken für Niedrigenergie- oder Plusenergiehäuser vergäbe? Wenn sie bei ihren Kreditvergaben die Umweltverträglichkeit zum Kriterium machten? Damit erreichte sie wohl tatsächlich eine Entlastung des Klimas. Denn kompensieren heisst eben nicht einsparen. Es ist ein Nullsummenspiel.

 

Letzte Woche hat sich auch die Schweizer Regierung zum Thema Finanzen und Klima geäussert als sie die neuen Leitlinien zur Nachhaltigkeit im Finanzsektor vorstellte. Ueli Maurer und Spitzenvertreter der Wirtschaft demonstrierten dabei grosse Einigkeit: Die Zukunft gehört nachhaltigen Finanzprodukten. Wie schön. Vorschriften sucht man in diesen Leitlinien allerdings vergeblich. Wozu auch, wenn Vertrauen doch so viel besser ist. O-Ton Ueli Maurer: «Wir regulieren nicht auf Vorrat und vertrauen voll auf die Innovationskraft der Akteure.»

 

Was spielt es da für eine Rolle, dass die EU bei diesem Thema heute schon einiges forscher vorangeht als die Schweiz und an einheitlichen Nachhaltigkeitskriterien werkelt, die sie in den nächsten Jahren verbindlich einführen wollen. Es spielt eine Rolle, denn der Verdacht liegt nahe, dass sich die Schweiz mit ihren neuen Leitlinien primär den Marktzugang zur EU sichern will. Wen schert es da, dass konkrete Klimaziele fehlen? Wen interessiert’s, dass völlig unklar bleibt, ob die neuen Richtlinien neben Anlagen auch die Kreditvergabe betreffen? Immerhin wäre in diesem Sektor klimamässig tatsächlich etwas zu erreichen. Was nachhaltige Anlagen angeht, boomt der Markt jetzt schon. 2019 stiegen sie um 62% auf beachtliche 1 163 Milliarden Franken stellte der Verein Swiss Sustainable Finance unlängst fest.

 

Die Banken verdienen also heute schon gutes Geld mit sogenannt nachhaltigen Aktienfonds. Nur: Für die Nachhaltigkeit fehlt eine klare Definition. Und der Bundesrat liefert in dieser Hinsicht auch in seinem neuen Papier keine Aufklärung. Im Klartext heisst das, wir sind – einmal mehr – auf unseren eigenen gesunden Menschenverstand zurückgeworfen. Es geht nichts über das genaue Hinschauen und kritische Hinterfragen, über das Druckmachen von unten, auf die Politik, auf die Wirtschaft, den Schutz des Klimas doch endlich, endlich einfach mal ernst zu nehmen. 

Christa Dettwiler