Neuer Überblick

Photo: Utsav Srestha auf Unsplash
Photo: Utsav Srestha auf Unsplash

Ein Thema beherrscht die Welt. Alles, was sonst eine Schlagzeile wert wäre, verschwindet in der Flut der Pandemie-Nachrichten. Deshalb wollen wir uns einen Überblick verschaffen, was in Sachen Klima und Energie in Corona-freien Zeiten für Aufsehen gesorgt hätte:

  • Am letzten Freitag hat der Bundesrat den nächsten Schritt in der Liberalisierung des Strommarktes getan. Neu sollen jetzt auch Haushalte, ihren Strom auf dem freien Markt einkaufen dürfen. Kritik an der Vorlage liess nicht auf sich warten. Die NZZ mäkelt an den Subventionen herum, mit denen erneuerbare Energien auch in Zukunft gefördert werden sollen. Die Linke kritisiert, das Paket gehe nicht weit genug. So weit, so bekannt. Interessant ist, dass die Grundversorgung mit Strom in der Schweiz neu zu 100% erneuerbar sein muss. SP-Fraktionschef und Energiespezialist Roger Nordmann überzeugt das nicht: «Das ist ein rhetorisches Blabla, um einen Widerspruch zu überdecken», sagte er gegenüber SRF. Zwar wolle der Bund sauberen Strom fördern, gebe Haushalten aber die Möglichkeit, zum billigen, nicht erneuerbaren Strom auf dem freien Markt zu wechseln.

  • Das Hochgebirgs-Sonnenkraftwerk, das die Axpo auf der Staumauer des Muttsees plant, hat eine wichtige Hürde genommen. 6 000 Solarpanels sollen ab nächstem Jahr auf 2 500 müM zwei Megawatt sauberen Strom produzieren. Die Baubewilligung ist erteilt, jetzt hat auch der Kanton Glarus die energierechtliche Bewilligung gegeben. Das freut uns, befremdlich finden wir jedoch, dass die Axpo beim Bund um Geld bettelt und die Anlage nicht mit eigenen Mitteln stemmen will. 

 

  • In Deutschland hat der Anteil erneuerbarer Energien im ersten Quartal erstmals mehr als die Hälfte des Strombedarfs gedeckt – dank windigem Februar und sonnigem März. Windräder, Solarpanels, Biomasse-Kraftwerke, Siedlungsabfälle und Geothermie lieferten rund 77 Milliarden Kilowattstunden Strom, zehn Milliarden mehr als im gleichen Zeitraum 2018.

 

  • Die EU-Kommission plant, von 2021 bis 2027 gegen 2,4 Milliarden Euro ins Euratom-Programm zu stecken. Die Begründung lässt aufhorchen. Es brauche «ein starkes Euratom-Programm», damit Europa in «die erste Riege der Stromerzeugung aus Kernkraft aufsteigen» könne. Wer hat da etwas von Atomausstieg gesagt? An der Subvention der europäischen Atomenergie-Forschung beteiligte sich bislang auch die Schweiz. In den letzten sechs Jahren mit rund 100 Millionen Franken. In der zweiten Jahreshälfte wird das Parlament die künftige Schweizer Beteiligung beraten.

    Nun ist es ja so, dass der Atomausstieg in der Schweiz bereits beschlossene Sache ist. Wie passt das also zusammen? Vor der Abstimmung zur Energiestrategie 2050 erklärte es der Bundesrat so: «Es gibt aber kein Technologieverbot. Die Nuklearforschung kann weitergehen.»

    Das Parlament hat also im Herbst die Möglichkeit, den Bundesrat zum Ausstieg aus dem Euratom-Vertrag zu zwingen. So wie das aktuell Österreich und Luxemburg vormachen. Sie blockieren nämlich den Vorschlag der EU-Kommission. Das zuständige österreichische Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung findet klare Worte: «Zentraler Punkt der Verhandlungen aus österreichischer Sicht ist die Verbindung zwischen der Nuklearenergie und der Schaffung eines klimaneutralen Energiesystems, die an zwei Stellen des Dokuments hergestellt wird. Eine solche Verknüpfung lehnt Österreich grundsätzlich ab. Diese Haltung wird auch vom Programm der neuen österreichischen Bundesregierung ausdrücklich festgehalten. Wir sehen in der Nuklearenergie weder ein sicheres noch ein nachhaltiges Konzept. Eine Klimastrategie der EU kann aus unserer Sicht nur mit nachhaltigen Konzepten verfolgt werden.»

    Bleibt zu sagen, dass Österreich nie ein Atomkraftwerk in Betrieb nahm. Bereits 1978 schloss das Atomsperrgesetz die Nutzung der Kernenergie aus. 1999 wurde das Atomsperrgesetz in den Verfassungsrang erhoben und heisst seither Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich.

Auf jeden Fall sind das doch einmal erstaunlich deutliche Worte aus der Politik – und der Schweiz wärmstens zur Nachahmung empfohlen.

Christa Dettwiler