Klimaklempnerei

Ai generiert, Klimawandel, Eisscholle.

Bild: Peter Schmidt

 

Die Schweiz schlägt der Umweltversammlung der Vereinten Nationen vor, die Sonne zu verdunkeln. Diese Spielart des Geo-Enigneering soll die globale Erwärmung bremsen. Eine UN-Expertengruppe soll die "Risiken, Vorteile und Ungewissheiten" dieser Technologie prüfen. Mit ihrem Vorschlag stösst die Schweiz nicht überall auf Zustimmung.

 

Die sogenannte "Solar Radiation Modification" (SRM) imitiert kurz gesagt einen massiven Vulkanausbruch und verteilt Schwefeldioxid-Partikel in der Atmosphäre, die einen Teil der Sonnenstrahlung - sowohl Wärme wie auch Licht - ins All zurück reflektieren. Befürworter halten es für wichtig, dass ein multilaterales Gremium diese Technologie entwickelt und prüft, Gegner sind der Ansicht, dieser Auftrag sei ein Bruch des geltenden De-facto-Verbots von Geo-Engineering. 

 

Felix Wertli vertrat die Schweiz an der Uno-Umweltversammlung, die letzte Woche in Nairobi stattfand. Mit ihrem Vorschlag wolle die Schweiz sicherstellen, dass alle Regierungen und Interessensgruppen über SRM-Technologien Bescheid wissen, vor allem über die möglichen Risiken und grenzüberschreitenden Auswirkungen. Es gehe nicht darum, die Technologie voranzubringen, sondern Regierungen - vor allem in Entwicklungsländern - in die Debatte einzubeziehen. Auch die Direktorin der UNEP, Inger Andersen, betonte in ihrer Eröffnungsrede die Wichtigkeit "einer globalen Diskussion über SRM". Das stelle keine Unterstützung der Technologie dar, sondern sei eine reine Vorsichtsmassnahme.

 

Einen gewichtigen Schönheitsfehler hat der Schweizer Vorschlag dennoch. Aktuell ist Geo-Engineering de facto verboten. Und Umweltorganisationen befürchten, mit der Bildung einer Expertengruppe würde dieses Verbot ausgehebelt. Quasi als Nebeneffekt würden damit auch die Anstrengungen torpediert, aus fossilen Energieträgern auszusteigen. Diese Vermutung kommt nicht von ungefähr. Zu Beginn war es nämlich vor allem die Ölindustrie, die die Forschung auf diesem Gebiet finanzierte.

 

Schon 2019 war die Schweiz an der Uno-Umweltversammlung mit der gleichen Idee vorgeprescht. Damals blockierten die USA und Saudiarabien den Antrag. Doch die Debatte um die Forschung zur Verdunkelung der Sonne reisst nicht ab, sondern weitet sich aus. High-Tech-Firmen, Finanzhaie, selbst reiche Philanthropen mischen mit - die Aussicht auf lukrative Geschäfte ist einfach zu verführerisch. So ist etwa Bill Gates einer der wichtigsten Geldgeber des Harvard Solar Geoengineering Forschungsprogramms. 

 

Ein neues Start-up in den USA namens "Make Sunsets", verkauft sogar jetzt schon "Kühl-Zertifikate" und behauptet, in Mexiko erfolgreiche Feldversuche durchgeführt zu haben. Angesichts der veritablen Wildwest-Stimmung ist der Schweizer Vorschlag einer kontrollierten Forschung vielleicht nicht die schlechteste Idee.

 

Die Gefahren dieser Technologie sind nur schwer abzuschätzen. Der Weltklimarat jedenfalls moniert grosse Wissenslücken und unabschätzbare Risiken. Und das Montreal Protokoll, das Schäden an der Ozonschicht überwacht, warnte im Januar in einem Report ausdrücklich vor den Auswirkungen von SRM.

 

Dass alle Welt nach raschen Lösungen sucht, kommt nicht von ungefähr. Die globalen Temperaturen steigen ungebremst, ein Hitzerekord jagt den anderen. Zwar einigte sich die Welt 2015 in Paris darauf, die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf netto null zu senken. Seither steigen sie munter weiter und erreichten 2023 ein neues Rekordhoch von 36,8 Gigatonnen. Ab 2050 sollte nicht nur nichts mehr dazukommen, ab dann müsste die Welt eine negative CO2-Bilanz ausweisen.

 

Die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) hat ausgerechnet, dass diese pro Jahr zwischen 10 und 20 Gigatonnen erreichen sollte. Bloss wie? Die Empa kündigte dazu eine neue Forschungsinitiative an: "Mining the Atmosphere", eine Art grosses atmosphärisches Reinemachen also.

 

Trotz grosser Bedenken setzt sich auch der Weltklimarat mit solchen Technologien auseinander. In seinen neusten Berichten und Szenarien tauchen jedenfalls technische Ansätze zur Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre auf, das sogenannte "Carbon Dioxide Removal" (CDR). Und der Schweizer Klimaexperte Reto Knutti meint lakonisch, CDR sei unvermeidbar, um das Klimasystem zu stabilisieren. Illusionen macht er sich keine. Der Klimagipfel in Dubai habe im Wesentlichen der Welt einen Persilschein ausgestellt, so weiter zu machen wie bisher. "So wird die Klimaerhitzung auf eine Frage der Abfallbewirtschaftung reduziert."

 

Dieser Abfallbewirtschaftung ist eines gemeinsam: Sie hält den CO2-Anstieg in der Atmosphäre nicht auf. Wie illusorisch es ist, Kohlendioxid in grossem Massstab aus der Atmosphäre zu entfernen, beschreibt die Physikerin und Philosophin Annette Schlemm in ihrem Buch "Climate Engineering": Damit die Erderwärmung langfristig nicht über zwei Grad steigt, müsste die Kapazität von CDR bis in sechs Jahren um das Dreissigfache steigen, bis in 26 Jahren sogar um das Tausendfache. Ein sportliches Ziel für eine Technologie, die noch nicht einmal marktreif ist.

 
Christa Dettwiler

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